Gebündelte Stimmen, fehlerhafte Wählerlisten: Bei der Präsidentschaftswahl kam es zu Unregelmäßigkeiten. 28 Menschen wurden bei Schlägereien verletzt. Kandidat Shafik warnte indes vor einem "großen Fehler".
Wahlbeobachter haben am ersten Tag der Präsidentenwahl in Ägypten 143 Verstöße gegen die Wahlordnung festgestellt. Es habe Versuche gegeben, Wähler bei der Stimmabgabe zu beeinflussen, teilte das Netzwerk „Beobachter ohne Grenzen" am Donnerstag in Kairo mit. Zudem sei der Wahlkampf entgegen den Vorschriften weitergeführt worden, in Wahllokalen für Frauen sei versucht worden, Stimmen gleich bündelweise abzugeben. Außerdem hätten die unabhängigen ägyptischen Beobachter fehlerhafte Wählerlisten vorgefunden - vor allem in Kairo und Alexandria.
Besonders schockiert zeigte sich Sherin Talaat von der Kampagne des Kandidaten Chalid Ali: „Unsere Wahlbeobachter haben selbst gehört, wie Mitglieder der Wahlkommission einzelnen Wählern, die nicht lesen können, gesagt haben, wo sie ihr Kreuz machen sollen." Zudem bildeten sich vor vielen Wahllokalen lange Warteschlangen. Laut dem Gesundheitsministerium wurden zehn Wähler im Gedränge ohnmächtig. Bei Schlägereien wurden laut lokalen Medien 28 Menschen verletzt.
Die Wahl am Mittwoch und Donnerstag ist die erste freie Abstimmung ihrer Art in Ägypten. Bis Donnerstag haben die 50 Millionen Wahlberechtigten Zeit, einem der zwölf Kandidaten ihre Stimme zu geben. Das Ergebnis wird an diesem Samstag erwartet. Nach letzten Umfragen wird kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichen, so dass am 16. und 17. Juni eine Stichwahl fällig wird. Damit wird die sechs Jahrzehnte lange Vorherrschaft von Staatschefs aus den Reihen des Militärs beendet.
Ägypter haben "großen Fehler" gemacht
Der ägyptische Präsidentschaftskandidat Ahmed Shafik hat seinen Landsleuten indes vorgeworfen, mit der Wahl einer starken islamistischen Parlamentsmehrheit einen "großen Fehler" begangen zu haben. Sein Ziel sei es, die Muslimbrüder in die Schranken zu weisen, erklärte der letzte Premier des im Februar 2011 zum Rücktritt gezwungenen Staatschefs Hosni Mubarak am Donnerstag. Sollte ein Islamist zum Staatspräsidenten gewählt werden, hätte dies mit Sicherheit "enorme Probleme" für Ägypten zur Folge, warnte Shafik.
Der 70-jährige Shafik gilt vielen Ägyptern als Mubarak-Mann und ist deshalb sowohl für die Islamisten als auch für die sogenannte Revolutionsjugend ein rotes Tuch. Dies zeigte sich bereits am Mittwoch, als er bei der Stimmabgabe von Demonstranten mit Steinen und Schuhen beworfen worden war. Weiters riefen sie ihm zu: „Der Feigling ist hier, der Verbrecher ist hier." Shafiks Leibwächter schirmten ihn ab. Als er wegfuhr, brachen Rangeleien zwischen den Demonstranten und seinen Anhängern aus.
Ägypten wählt
Die Wahl entscheidet, ob das bevölkerungsreichste arabische Land demnächst von einem säkularen Polit-Profi aus dem ehemaligen Mubarak-Regime oder von einem Islamisten regiert wird. Zur Auswahl stehen zwölf Kandidaten. Seit dem Sturz des Mubarak-Regimes herrscht in Ägypten ein Militärrat. Die Generäle haben versprochen, sich Ende Juni aus der Politik zurückzuziehen, wenn der Präsident vereidigt und eine neue Verfassung beschlossen ist.
(Ag./Red.)