Stichwahl in Ägypten: Mursi und Shafiq kämpfen um Revolutionsstimmen

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Keiner der ägyptischen Präsidentschaftskandidaten bekam 50 Prozent der Stimmen. Mehr als die Hälfte der Ägypter stimmten ohne Erfolg für einen der vielen Kandidaten des Wandels. Im Juni findet Stichwahl statt.

Kairo. Was so viele ehemalige Revolutionäre befürchtet haben, ist eingetreten: Am 17. Juni findet eine Stichwahl um das Amt des ägyptischen Präsidenten zwischen dem Moslembruder Mohammed Mursi und Ahmed Shafiq, dem letzten Premierminister unter Machthaber Hosni Mubarak, statt. Das bestätigte die oberste Wahlkommission am Montagnachmittag. Kein Kandidat erreichte die 50-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 46 Prozent, deutlich niedriger als bei den Parlamentswahlen im Winter.

Einsprüche gegen die Zählung und das Ergebnis wurden von der Kommission als nicht substanziell abgelehnt. Vor allem der Dritte im Rennen, der Nasserist Hamdeen Sabahi, hatte Einspruch eingelegt, weil angeblich mehrere hunderttausend zusätzliche Wähler in das Wahlregister aufgenommen wurden. Laut offiziellem Ergebnis bekam Mursi 24,7 der abgegebenen Stimmen. Shafiq erreichte 23,8 Prozent. Sabahi kam auf knapp 21 Prozent.

Für etwas mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Ägypter ist das ein enttäuschendes Ergebnis. Diese hatte sich für Kandidaten des Wandels entschieden, aber keiner von ihnen hatte es aufgrund der Aufsplitterung in mehrere Kandidaten in die Stichwahl geschafft. Nun geht es für die beiden Sieger darum, für die Stichwahl genau diese Mehrheit der Ägypter für sich zu gewinnen. Das bedeutet für die Moslembrüder, Ängste zu zerstreuen, sie könnten mit einem Sieg Mursis ihre islamistische Agenda durchsetzen. Shafiq hingegen muss sein Image als der Mann Mubaraks ablegen.

So ist es kein Wunder, dass sich Mursi in den letzten Tagen nach der Wahl immer wieder als der Kandidat der Revolution präsentiert und alle Ägypter aufgerufen hatte, die Revolution weiterzuverfolgen. „Als ein Präsident werde ich versuchen, der Präsident aller Ägypter zu sein“, hatte er erklärt.

Bereits seit dem Wochenende laufen Versuche der Moslembruderschaft, ein breites Bündnis für die Stichwahl zu schmieden: Man könnte etwa Präsidentschaftskandidaten der ersten Runde, wie den Nasseristen Hamdeen Sabahi und den liberalen zuvor aus der Moslembruderschaft ausgeschlossenen Abdel Monem Abul Futuh als Vizepräsidenten miteinschließen. Die nächsten Tage werden zeigen, ob diese Versuche erfolgreich sind. Denn bei vielen liberalen Ägyptern, die in der ersten Runde für Sabahi, Abdel Futuh oder Amr Moussa gestimmt haben, ist das Misstrauen groß, dass die Moslembrüder ihre Macht im Parlament missbrauchen. Denn stellten sie auch noch den Präsidenten, übernähmen sie die volle politische Verantwortung für das Land.

Shafiq verspricht „neue Ära“

Was mit dem Einzug Mursis in die Stichwahl zunächst wie ein Erfolg aussieht, ist bei näherem Hinsehen zumindest teilweise eine Niederlage. Hatten die Moslembrüder bei den Parlamentswahlen noch die Hälfte der Stimmen bekommen, hat es Mursi mit 24,7 Prozent der Stimmen nur in die Stichwahl geschafft.

Bemerkenswert ist auch das schwache Abschneiden der Moslembrüder in ihrer bisherigen Hochburg, der zweitgrößten ägyptischen Stadt Alexandria. Die Moslembrüder haben nach Meinung vieler noch nicht einmal begonnen, die Probleme der Ägypter zu lösen. Dass sie auf die sozialen Fragen offenbar keine Antworten finden, hat die Islamisten spürbar Stimmen gekostet. Entsprechend groß ist die Enttäuschung in der Bevölkerung.

Auch Shafiqs Strategie für die nächsten drei Wochen vor den Wahlen ist klar: Der Ex-Ministerpräsident und Mubarak-Anhänger hat versprochen, das Rad nicht mehr zu den Mubarak-Zeiten zurückzudrehen. „Ich verspreche allen Ägyptern, eine neue Ära zu beginnen”, erklärte er. Etwas, das ihm viele Ägypter nicht so einfach abkaufen werden.

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