Serbien: Ein Provokateur als Präsident

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Der vom Nationalisten zum EU-Befürworter mutierte Tomislav Nikolić schaffte es schon vor dem Amtsantritt am Donnerstag, die Beziehung zu Kroatien abzukühlen. Nikolić nannte Vukovar eine serbische Stadt.

Belgrad. Lange verspottet, ist Serbiens „ewiger Zweiter“ nun doch noch der erste Mann im Staat geworden. Er werde die Verfassung und die Menschenrechte achten, versicherte der vom Nationalisten zum EU-Befürworter mutierte Tomislav Nikolić bei seiner Vereidigung zum neuen Präsidenten am Donnerstag pflichtschuldig in Serbiens Parlament: „Ich werde gewissenhaft und verantwortungsvoll meine Pflichten erfüllen.“

Auf zweifelnden Argwohn wird der neue Mann an Serbiens Spitze jedoch nicht nur in den EU-Metropolen, sondern vor allem auch bei den einstigen Kriegsgegnern stoßen. Trotz seiner selbst erklärten Runderneuerung zum Europa-Enthusiasten fällt dem früheren Freiwilligen im Kroatienkrieg die Distanzierung von seiner nationalistischen Vergangenheit noch immer schwer.

„Dem Tschetniktum abschwören“

Vor seiner Wahl hatte der 60-Jährige in einem Interview mit der „FAZ“ das kroatische Vukovar erneut als „serbische Stadt“ bezeichnet – und im Nachbarland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Eher ungelenk ließ er seinen Ausrutscher von seiner Partei als „heimtückische“ Medienlüge dementieren – was durch das Originalband des Interviews rasch widerlegt war. Kroatiens Präsident Ivo Josipović forderte seinen Kollegen am Donnerstag auf, dem „Tschetniktum“ abzuschwören.

Nicht nur die labilen Beziehungen zu Kroatien könnten mit dem Machtwechsel an Serbiens Staatsspitze erneut erkalten. Während sein weltläufiger Vorgänger Boris Tadić im Umgang mit den Nachbarn in der Regel diplomatische Töne anschlug, scheinen bei dem trotz  seines Alters international relativ unerfahrenen Neu-Präsidenten weitere Fehltritte ins Fettnäpfchen garantiert: Die Metamorphose vom Polter-Oppositionellen zum überparteilichen Landesvater dürfte dem sprunghaften Rumpelpatrioten aus Kragujevac wesentlich schwerer fallen als seine bisherigen Häutungen.

Anerkennung Abchasiens, Südossetiens?

Nicht gerade vielversprechend gestaltete sich vergangene Woche in Moskau sein Debüt-Versuch als Landesvater auf dem internationalen Parkett. Dort erklärte er in einem Radiointerview, dass der EU-Anwärter Serbien die Anerkennung der abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien in Erwägung ziehe.
Nicht nur wegen der Brüskierung der EU-Partner und Georgiens wäre dies auch aus serbischer Sicht ein keineswegs logischer Schritt: Mit dem vermeintlichen Bruch des Völkerrechts pflegt Belgrad bisher die Ablehnung der Unabhängigkeit seiner Ex-Provinz Kosovo zu begründen.

Während sich Nikolić in den nächsten Tage in seiner neuen Residenz im Belgrader Nobelviertel Dedinje einquartieren wird, zimmert sein besiegter Dauerrivale mittlerweile an einer neuen Regierung: Wahlverlierer Boris Tadić soll nach dem Willen seiner Partei nun das Premiersamt übernehmen. Zwar hatte der Chef der regierenden DS den nun geplanten Ämterwechsel in der Wahlnacht noch resolut ausgeschlagen, doch seine angeschlagene Partei ließ ihm keine große Wahl: Bei einer Verweigerung hätte Tadić wohl der Verlust des Parteivorsitzes gedroht.

Tadić führt zähe Koalitionsgespräche

Zwar hatte der Ex-Präsident als heimlicher Premier die Regierungsgeschäfte schon in den vergangenen vier Jahren eher erfolglos vom Rücksitz aus geführt. Doch die Aussicht auf eine mögliche Verlängerung seiner Ära stößt auch in reformgesinnten Kreisen nicht nur auf Begeisterung. Tadić habe schon als Präsident den Eindruck zu verbreiten versucht, dass ihm die Macht aufgrund „irgendwelcher höherer Mächte“ zustehen würde, ätzt die Ex-Dissidentin Vesna Pesić: Es wäre „absurd“ und eine „große Schande“ für Serbien, falls ausgerechnet der Wahlverlierer nun die neue Regierung führen sollte.

Der Dinar ist auf Tiefflug – und nur die Arbeitslosigkeit steigt: Erstmals wurden in diesem Monat in Serbien mehr Pensionen als Löhne ausgezahlt. Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage drängen Analysten auf eine rasche Koalitionsbildung. Doch die scheint nicht in Sicht. Vor einer Übernahme der Regierung hat Tadić noch viele Klippen zu umschiffen. Schon die Koalitionsverhandlungen mit den bisherigen Partnern des Bündnisses um die Sozialisten sind zäh angelaufen: Die Erben des Ex-Autokraten Slobodan Milošević verspüren wenig Lust auf einen strikten Sparkurs. Auch die geplante Erweiterung der bisherigen Koalition um die linksliberale LDP droht neue Verwerfungen zu verursachen: Im Gegensatz zu den potenziellen Partnern plädiert die LDP für die Anerkennung des Kosovo.

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