Obamas „Olympic Games“ gegen Iran

(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Mit Computerviren bekämpfen die USA das Atomprogramm Teherans. George W. Bush begann das Geheimkommando, Obama verschärfte es. Wie der Virus den Weg nach Natanz fand, bleibt unterdessen weiter mysteriös.

Washington. Wenige Tage vor dem Amtsantritt Barack Obamas weihte George W. Bush seinen Nachfolger im Jänner 2009 einer Usance folgend in die Staatsgeheimnisse ein. Er bat Obama inständig, zwei Geheimoperationen weiterzuführen: den Drohnenkrieg in Pakistan und den Cyber-Krieg gegen den Iran unter dem Codenamen „Olympic Games“. Ursprünglich ein Verfechter von Transparenz, entschloss sich Obama, bedrängt von den Topmilitärs und Geheimdienstchefs, beide Geheimaktionen fortzusetzen – ja, sie sogar noch zu intensivieren.

Nur einmal schlichen sich Zweifel ein. Der in der iranischen Atomanlage Natanz implantierte Computervirus „Stuxnet“ war 2010 entfleucht, er fraß sich durch die virtuellen Weiten des Internets. Als das gesamte Programm aufzufliegen drohte, fragte Obama die im „Situation Room“ des Weißen Hauses versammelte hochkarätige Runde seines Sicherheitsteams: „Sollen wir die Sache stoppen?“

Doch der Iran war vollends verwirrt. Weil sie dem Defekt nicht auf den Grund kamen, feuerten die Verantwortlichen sogar Mitarbeiter des unterirdischen Atomprogramms. Und so verschärften die USA ihre Cyberattacken, die die Zentrifugen zur Anreicherung des für die Herstellung des Atombrennstoffs notwendigen Urans torpedierten und teilweise unschädlich machten. Optimistischen Schätzungen zufolge haben die Virusangriffe das Nuklearprojekt Teherans um eineinhalb bis zwei Jahre zurückgeworfen.

Kooperation mit Israel

Der Auszug des Buchs „Confront and Conceal“ ihres Korrespondenten David Sanger in der „New York Times“ liest sich wie eine Vorlage für einen hyperrealistischen Polit-Thriller, für einen Blockbuster der Marke Hollywood. Es erscheint nicht ganz zufällig im sich aufheizenden Klima des US-Wahlkampfs, denn es festigt das Image des resoluten Oberbefehlshabers und Antiterrorkriegers Obama.

George W. Bush lancierte die Geheimaktion „Olympic Games“ 2007, weil die diplomatischen Mittel gegen das iranische Regime ausgereizt schienen, die militärischen Optionen limitiert waren und die Glaubwürdigkeit der Supermacht infolge des Irak-Desasters ramponiert war. Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi hatte den USA 2003 Zentrifugen aus pakistanischer Produktion übergeben, die via Schmuggel auch in den Iran gelangten. Die US-Militärs erstellten ein Simulationsmodell, sie testeten die Computerviren an einer virtuellen Kopie der iranischen Atomanlage Natanz.

In der Folge banden die USA Israel in das Projekt ein – ein politischer wie militärischer Coup. Einerseits machten sich die US-Geheimdienste die technische Expertise der israelischen Spezialeinheit „Unit 8200“ bei der Entwicklung des „Stuxnet“-Virus zunutze. Und zum anderen hielten sie Israel von einem präventiven Militärschlag gegen den Iran mit weitreichenden Folgen ab. Präsident Obama bekräftigte das Kalkül: Es gebe keine Alternative. Sollte die Operation „Olympic Games“ fehlschlagen, würde Israel einen Angriff nicht hinauszögern.

Wie der Virus den Weg nach Natanz fand, bleibt unterdessen weiter mysteriös. Der frühere CIA-Chef Michael Hayden erklärte nur kryptisch: „Jemand überschritt den Rubikon.“ Offenbar mithilfe von Agenten und unfreiwilligen Helfern schleusten die US-israelischen Kollaborateure den Virus in die iranische Nuklearanlage. Sanger zitiert eine anonyme Quelle: „Wie sich herausstellte, gibt es immer einen Idioten, der nicht groß über den USB-Stick in seiner Hand nachdenkt.“

Auf einen Blick

Virusattacke. Um das iranische Nuklearprogramm zu torpedieren, entwickelten die USA zusammen mit Israel Computerviren, die einen Teil der Uranzentrifugen unschädlich machten. 2010 entfleuchte der Virus „Stuxnet“, der Cyber-Krieg flog auf. In dem neuen Buch „Confront and Conceal“ beschreibt „New York Times“-Journalist David Sanger das Projekt „Olympic Games“, das George W. Bush begann und Barack Obama weiterführte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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