Während sich die EU und Russland nicht auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Damaskus einigen können, vermelden die Rebellen 80 tote Regierungssoldaten.
Sankt petersburg/Damaskus/Est/Ag. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat schon vor Beginn des gestrigen EU-Russland-Gipfels bezweifelt, dass dabei eine Annäherung der Positionen im Syrien-Konflikt gelingen könne. So kam es denn auch, und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy musste nach dem Ende des Gipfels in Sankt Petersburg eingestehen, dass die EU-Delegation den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu keinem schärferen Kurs gegen das syrische Regime hatte bewegen können. Als kleinster gemeinsamer Nenner blieb dann nur die Einigung, dass der „Teufelskreis der Gewalt“ in Syrien durchbrochen werden müsse, bevor es zu einem offenen Bürgerkrieg komme.
Als UN-Vetomacht steht Russland derzeit unter Druck, sein gutes Verhältnis zum syrischen Regime zu nützen, um eine friedliche Lösung zu finden oder andernfalls den Widerstand gegen eine verschärfte Gangart seitens der internationalen Gemeinschaft aufzugeben, sprich Sanktionen zuzustimmen. Konkret komme Russland, so EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton, eine „Schlüsselrolle“ zu, damit der Waffenstillstandsplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan realisiert werden könnte.
Annan selbst hatte zuletzt einen Kurswechsel nicht mehr ausgeschlossen. Am Sonntag telefonierte er in dieser Frage auch mit Lawrow – der wiederum sieht keine Alternative zu Annans Friedensplan. Russland würde in ständigem Kontakt zum syrischen Regime und der Opposition stehen und beide Seiten „zum Beginn eines substanziellen Dialogs motivieren“.
Vor diesem Hintergrund kritisierte das russische Außenamt am Sonntag auch den UNO-Menschenrechtsrat, der seinerseits am Wochenende das syrische Regime für das Massaker an Zivilisten in Houla verurteilt hatte. Das Urteil sei laut Ansicht der Russen einseitig, diene als Druckmittel auf den UN-Sicherheitsrat und könnte Annans Friedensplan durchkreuzen.
In Syrien selbst ist indes kein Ende der Kämpfe in Sicht – im Gegenteil. Nach Angaben der Regimegegner wurden bei Gefechten am Wochenende mindestens 80 Regierungssoldaten getötet. Bei den jüngsten Kämpfen seien auch Panzer zerstört worden, teilte die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Kein Mangel an Waffen
An schweren Waffen herrscht in der syrischen Armee allerdings nach wie vor kein Mangel. Nach Berechnungen des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri hat Damaskus zwischen 2007 und 2011 seine Waffenimporte nahezu versechsfacht. 78 Prozent seiner Waffen hat Syrien in dem Zeitraum aus Russland bezogen, heißt es in dem am Montag in Stockholm präsentierten „Jahrbuch zur Rüstung und Abrüstung 2012“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2012)