Syrien: Die "Fremdenlegion" der Rebellen

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Ausländische Kämpfer sollen die "Freie Syrische Armee" verstärken. Die Gefechte haben mittlerweile die Innenstadt von Damaskus erreicht. Ausländische Kämpfer hatte es auch im libyschen Bürgerkrieg im Vorjahr gegeben.

Schon bald nach Beginn des Aufstandes in Syrien machte das Regime auch „ausländische Kräfte“ dafür verantwortlich. Mittlerweile verstärken offenbar tatsächlich Kämpfer aus dem (arabischen) Ausland die Reihen der sogenannten „Freien Syrischen Armee“: Dutzende Kuwaitis seien über die Türkei nach Syrien gelangt, um an der Seite der Aufständischen zu kämpfen, berichtete die kuwaitische Zeitung „al-Kabas“ am Sonntag unter Berufung auf Angehörige der Kämpfer. Auch Freiwillige aus Saudiarabien, Algerien und Pakistan sollen an der Seite syrischer Rebellen kämpfen.

Dem Bericht zufolge treffen Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ die Freiwilligen an der Grenze, händigen ihnen Waffen aus und ordnen sie den Einheiten ihrer Oppositionsarmee zu. Man rüste die ausländischen Kämpfer auch mit falschen syrischen Personalausweisen aus, die sie im Falle einer Festnahme vorlegen könnten.

Ausländische Kämpfer hatte es – auf beiden Seiten – auch im libyschen Bürgerkrieg im Vorjahr gegeben. In der späten Phase des Kampfes gegen das Gaddafi-Regime brachten sogar Ausbildner aus der katarischen Armee die zuvor oft chaotisch agierenden, zusammengewürfelten Einheiten der Rebellen auf Vordermann.

Opposition wählte neuen Führer

Und so wie in Libyen ist auch in Syrien die Opposition zersplittert – die militärische wie auch die politische: Diese Uneinigkeit soll nun Abdel Baset Sayda, der am Wochenende frisch gekürte Chef des Syrischen Nationalrats, eines Dachverbandes der Opposition, überwinden. Zunächst setzte er allerdings auf Durchhalteparolen: Das Assad-Regime „pfeift aus dem letzten Loch und hat in mehreren Städten die Kontrolle verloren“, erklärte der Kurde am Sonntag. Der 55-Jährige, der seit fast 20 Jahren in Schweden im Exil lebt, war zum Nachfolger des zurückgetretenen Hochschullehrers Burhan Ghalioun gewählt worden.

Der übte bei seinem Abgang noch einmal scharfe Kritik an der Haltung Russlands. Moskau müsse sich klar und eindeutig auf einen Rücktritt Assads festlegen, nur dann könne die Tür für eine politische Lösung des Konflikts geöffnet werden, sagte er. Der bisherige Chef der syrischen Opposition reagierte damit auf Äußerungen von Moskaus Außenminister Sergej Lawrow. Dieser hatte am Samstag eine internationale Syrien-Konferenz vorgeschlagen, an der auch der Iran teilnehmen soll. Gleichzeitig aber bekräftigte Lawrow, Russland werde jeden Einsatz von Gewalt durch die Staatengemeinschaft auch weiterhin blockieren.

Israel: „Völkermord in Syrien“

Überall im Land tobten am Wochenende heftige Kämpfe, sogar die Innenstadt von Damaskus lag unter stundenlangem Beschuss. Noch nie zuvor seit Beginn des Volksaufstands vor 16 Monaten waren die Rebellen dem Machtzentrum des Assad-Regimes so gefährlich nahe gekommen. Auf Videos aus der syrischen Hauptstadt sind ausgebrannte Busse zu sehen sowie ein innerstädtisches Kraftwerk, das offenbar durch eine Rakete beschädigt wurde.

Im Gegenzug griff die syrische Armee erneut die Städte Deraa und Homs an. Amateurvideos dokumentierten Artilleriesalven auf Wohnviertel in beiden Oppositionshochburgen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen starben in Deraa mindestens 20 Menschen, in Homs 38. Heftige Gefechte wurden auch aus der Umgebung der Hafenstadt Latakia gemeldet. Nach Zählung der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London haben seit Beginn des Konflikts damit mehr als 14.100 Menschen ihr Leben verloren.

Angesichts mehrerer Massaker, die in den vergangenen Wochen mutmaßlich von regimetreuen Milizen an Zivilisten verübt wurden, plädierte Israel am Sonntag unverhohlen für eine Militärintervention in dem arabischen Nachbarland. Vize-Ministerpräsident Shaul Mofaz von der zentristischen Kadima-Partei forderte die Staatengemeinschaft auf, genauso auf Assads Sturz hinzuarbeiten wie im vergangenen Jahr auf das Ende des Gaddafi-Regimes in Libyen. Was in Syrien geschehe, seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, sagte Mofaz dem Armeehörfunk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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