Für Ségolène Royal wird es eng bei der Wahl

(c) AP (Yohan Bonnet)
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Die Sozialisten greifen am Sonntag beim zweiten Wahlgang nach einem Triumph. Schlechte Karten hat jedoch die „Ex“ des neuen Staatsoberhaupts: zur Freude der First Lady.

Paris. Der zweite Durchgang der französischen Parlamentswahl sollte für den neuen Präsidenten François Hollande zu einem Spaziergang werden. Zwar wurden am vergangenen Sonntag nur wenige Angeordnete auf Anhieb gewählt, doch eine linke Mehrheit dürfte problemlos zustande kommen. Sogar eine absolute Mehrheit (mehr als 289 Sitze) für Hollandes Sozialisten, ohne Unterstützung durch die Grünen und die Linksfront (Kommunisten und Linkspartei), scheint nach wie vor in Griffnähe. Gemäß einer letzten Prognose des Umfrageinstituts Ipsos kann die Parti Socialiste mit 284 bis 313 von insgesamt 577 Sitzen rechnen.

Dass dennoch Hektik und Spannung aufgekommen sind, verdankt Hollande auch seiner Partnerin Valérie Trierweiler. Die First Lady hat nämlich per Twitter ausgerechnet einen sozialistischen Kandidaten in La Rochelle unterstützt, der gegen den Willen der Partei an seiner Kandidatur für die Stichwahl festhält. Und pikanterweise ist seine Konkurrentin niemand anderes als Hollandes Ex-Gefährtin Ségolène Royal.

Als Parlamentspräsidentin vorgesehen

Die oppositionelle UMP wälzt sich vor Schadenfreude. In La Rochelle rufen die Bürgerlichen unverhohlen ihre Wähler auf, für den „dissidenten“ Sozialisten Olivier Falorni zu stimmen, um so Royal zu Fall zu bringen. Diese Rechnung dürfte aufgehen. Einer Umfrage zufolge soll Royal mit bloß 42 zu 58 Prozent der Stimmen am Sonntag gegen Falorni verlieren. Alles Bitten und Fluchen aus der Pariser Parteizentrale nützte nichts. Falorni sagt, er lasse sich von Paris nichts diktieren.

Royal verlöre mit einer Niederlage doppelt. Man hatte ihr den Vorsitz in der Nationalversammlung in Aussicht gestellt, nachdem sie bei der Regierungsbildung leer ausgegangen war. Eine solche Schlappe einer prominenten Parteikollegin wäre eine Blamage für die ganze Partei, welche am Sonntag selbst die Freude über einen landesweiten Wahlsieg etwas eintrüben könnte.

Ein Durchbruch zeichnet sich dagegen für den Front National (FN) ab. Erstmals seit 15 Jahren haben die Rechtspopulisten trotz des für sie äußerst ungünstigen Mehrheitswahlrechts Aussicht auf ein bis sieben Sitzgewinne in den 60 Wahlkreisen, in denen ihre Kandidaten zur zweiten Runde antreten können. In den vergangenen Tagen ist deutlich geworden, dass der „Cordon sanitaire“ rund um die xenophobe Partei von Marine Le Pen gerissen ist. Die UMP-Führung will oder kann nicht verhindern, dass Teile ihrer eigenen Basis in Wahlduellen zwischen FN und der Linken den Rechtsextremen den Vorzug geben oder Wahlallianzen zwischen UMP und FN befürworten – was UMP-Chef Jean-François Copé offiziell empört ablehnt.

Andere, wie die ehemalige konservative Ministerin Nadine Morano, haben da weit weniger Skrupel. Im rechtsextremen Hetzblatt „Minute“ fordert sie explizit die FN-Wähler unter Berufung auf „gemeinsame Werte“ auf, sie in Lothringen in ihrem Wahlkampf gegen einen Sozialisten zu retten. In Saintes-Maries-de-la-Mer wiederum hat sich ein UMP-Kandidat zurückgezogen, um öffentlich eine FN-Politikerin zu unterstützen, die bessere Chancen als er hat, den sozialistischen Gegner zu schlagen.

Schwarze Liste des Front National

Die FN-Chefin Marine Le Pen setzt vor allem die UMP, aber auch die Parti Socialiste mit einer „schwarzen Liste“ unter Druck. Sie verteilt so als Wahlempfehlung für ihre Sympathisanten Betragensnoten für die anderen: Wer sich dem FN gegenüber eher entgegenkommend gezeigt hat, darf mit Wahlhilfe rechnen. Die anderen werden zum elektoralen Abschuss freigegeben. Gegen die frühere Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet aber, die sich sehr kritisch über Le Pen ausgelassen hat, betreibt der Front National jetzt eine Kampagne und unterstützt dazu sogar ausdrücklich einen Sozialisten.

Nicht zuletzt will Marine Le Pen in Nordfrankreich selbst auch in die Nationalversammlung gewählt werden. Sie gilt mit 42 Prozent aus dem ersten Durchgang in Hénin-Beaumont als Favoritin, hat aber mit dem Sozialisten Philippe Kemel auch eine „Front“ von Linksparteien und Grünen gegen sich, die vor einer Woche noch getrennt angetreten waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

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