Im Fahrwasser des chinesischen Wirtschaftswunders

(c) AP (Efrem Lukatsky)
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Die Ukraine stillt den Hunger der Emerging Markets nach Rohstoffen und Lebensmitteln und profitiert so vom Aufstieg von China und Co.- Sollte sich dieser Aufstieg allerdings spürbar verlangsamen, droht Gefahr.


Wien/Kiew. Wer im Laufe der letzten Monate die Nachrichten zur Lage der ukrainischen Wirtschaft mitverfolgt hat, kam de facto nur mit einem Themenbereich in Berührung: der Fußball-EM, die das Land gemeinsam mit seinem westlichen Nachbarn Polen organisiert hat. Eine Bilanz der Veranstaltung lässt sich zwar (noch) nicht legen. Was immerhin feststeht, ist, dass in der Ukraine knapp zehn Mrd. Euro für den Ausbau der (Sport-)Infrastruktur und die Behübschung der Austragungsorte ausgegeben wurden. Inwieweit diese angesichts eines Bruttoinlandsprodukts von umgerechnet rund 140 Milliarden Euro doch recht substanzielle Investition auch abseits des Fußballerischen Früchte trägt, wird sich allerdings noch weisen.
Doch auch abseits dieses einmaligen Spektakels hat die Ukraine interessante Schmankerl zu bieten. Etwa die Tatsache, dass das Land - anders als so manch europäischer Nachbar - heuer nicht in die Rezession rutschen, sondern aller Voraussicht nach ein Wachstum von rund drei Prozent vermelden dürfte (siehe Grafik rechts).

Das Ausland als Chance . . .
Das ist umso erstaunlicher, als der Treiber dieses Wachstums nicht die Binnenkonjunktur, sondern die Nachfrage aus dem Ausland ist - angesichts der diversen Schulden- und Finanzkrisen rund um den Globus doch eine stolze Leistung. Das auf Zentral- und Osteuropa spezialisierte Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), das für die Prognose verantwortlich zeichnet, begründet diese Entwicklung einerseits mit dem Rückgang des (zuvor extrem stark gestiegenen) Konsums der Privathaushalte und anderseits mit dem Vorziehen vieler Investitionen wegen der Fußball-EM, das sich nun kurzfristig negativ auf die Statistiken auswirkt.

Das WIIW zählt die Ukraine neben Russland, Kasachstan und der Türkei zur europäischen „Peripherie". Die ist zwar weniger weit entwickelt als der zentraleuropäische „Kern" der Region, hat dadurch aber noch deutlich mehr Nachholbedarf und ist dadurch widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks. So verwundert es nicht, dass das Institut davon ausgeht, dass die Investitionen trotz aller Fußball-Anomalien im Zeitraum 2012-2014 auf unverändertem Wachstumspfad bleiben werden. Und auch das internationale Umfeld soll gemäß dieser optimistischen Sicht der Dinge für positive Impulse sorgen. Denn die Ukraine ist zwar kein Exporteur von Hightech, doch sie hat zu bieten, wonach die aufstrebenden Emerging-Markets-Staaten (mit Ausnahme von Russland) suchen: Rohstoffe für ihre Industrien und Lebensmittel für ihre wachsenden Mittelschichten.

Ist somit alles eitel Wonne? Nein. Damit der Konjunkturmotor weiter rund läuft, müssen drei Gefahrenzonen umschifft werden - und die Entscheidungsträger in Kiew können nur zwei von ihnen beeinflussen. Gefahrenzone Nummer eins ist die Innenpolitik. Im Herbst finden Parlamentswahlen statt, in deren Vorfeld Präsident Viktor Janukowitsch in die Rolle des spendablen Landesvaters geschlüpft ist. Knapp zweieinhalb Prozent des BIPs nimmt die Regierung in die Hand, um sich das Wohlwollen der Bevölkerung zu sichern. Der Betrag erscheint angesichts der relativ niedrigen Staatsverschuldung zwar leistbar, doch der Trend läuft einer ökonomischen Daumenregel zuwider, der zufolge die Ausgestaltung des Sozialstaats mit dem gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsstand korrelieren sollte.

Zweite Gefahr ist die ukrainische Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Solange die ukrainischen Industrieanlagen alt und energieintensiv bleiben, so lange bleibt Kiew erpressbar. Und in Moskau wird kein Hehl daraus gemacht, dass man an der Kontrolle über die ukrainischen Assets (etwa des Pipeline-Netzes) interessiert sei.

. . . und Gefahr zugleich

Doch die momentan wohl größte Gefahr für die Konjunktur befindet sich im Ausland - und damit außerhalb der Reichweite der ukrainischen Regierung: Es ist die sich abzeichnende Wachstumspause in Ländern wie China, die bis dato als immun gegen die globalen Turbulenzen gegolten haben. Doch mittlerweile scheint man in Peking zur Einsicht gelangt zu sein, dass ein jährliches Investitionsniveau von 50 Prozent der Wirtschaftsleistung weder nachhaltig noch gesund ist. Global betrachtet mag dieser Erkenntnisgewinn zwar löblich sein - für jene Länder, die den chinesischen Wirtschaftsmotor bis dato mit Rohstoffen befeuert haben, bedeutet er allerdings nichts Gutes.

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