Hofer kritisiert die Schließung der Balkanroute

Norbert Hofer
Norbert Hofer Die Presse
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Norbert Hofer will „Freundschaft“ zwischen FPÖ und Israel, Irans Präsidenten aus Wien ausladen, die Russland-Sanktionen aufheben – und springt Athen in der Flüchtlingskrise bei.

Die Presse: Die FPÖ ist international nicht die am besten beleumundete Partei. Wer wären denn Ihre Verbündeten, wenn Sie in die Hofburg einzögen? Viktor Orbán? Wladimir Putin?

Norbert Hofer: Der Bundespräsident soll überparteilich agieren. Aber schon bei meinen vergangenen drei Reisen nach Prag, in die USA und Israel war unerheblich, dass ich Mandatar einer Partei bin, die im Ausland durchaus kritisch betrachtet wird. Wenn man mich persönlich kennenlernt, ist das Eis oft schnell gebrochen.

Israels Bann gegen die FPÖ ist aufrecht. Israelische Diplomaten in Wien sind angehalten, FPÖ-Vertreter nicht zu treffen.

Ich habe in Israel die Vizepräsidentin der Knesset offiziell getroffen. Das war ein sehr guter Termin. Ich hoffe auf eine Verbesserung der Beziehungen. Ich habe in Israel erlebt, wie es wirklich ist. Als ich auf dem Tempelberg war, ist zehn Meter neben mir eine Frau erschossen worden, weil sie versucht hat, mit Handgranaten und Maschinenpistolen betende Menschen zu töten.

Die FPÖ hat sich schon 2008 um eine Annäherung bemüht. Der damalige israelische Botschafter empfahl der FPÖ, sich in einem Brief von der Nazi-Vergangenheit zu distanzieren und ihre Haltung zum Holocaust klarzustellen. Doch dieser Brief kam nie an, lediglich Glückwünsche zum 60. Gründungstag Israels. Würden Sie einen solchen Brief verfassen?

Es muss mehr sein als ein Brief, ein direktes Gespräch, eine Versicherung. Jeder Mensch, der den Holocaust infrage stellt, ist irregeleitet und beleidigt auch noch sechs Millionen bestialisch Ermordete und deren Nachfahren.

Soll FPÖ-Chef Strache einen solchen Brief schreiben?

Ich bin mir nicht sicher, ob es einen solchen Brief nicht schon gibt.

Nein, zumindest ist er nicht in Israel angekommen. Vielleicht müssen Sie da ja auch innerparteiliche Rücksichten nehmen.

Ich kenne das Stimmungsbild in der FPÖ. Es hat sich sehr viel geändert. Wir sind nicht zimperlich, auch Parteiausschlüsse vorzunehmen. Die FPÖ muss eine Partei sein, die Freundschaft zu Israel pflegt. Natürlich müssen wir aufpassen, dass kein neuer Nährboden für Feindschaft gegen den Islam entsteht. Aber man muss jegliche antisemitische Tendenz, die durch Zuwanderung in Europa entsteht, im Keim ersticken. Jeder, der nach Österreich kommt, muss wissen, dass es keine Toleranz für Antisemitismus gibt, auch aufgrund unserer Geschichte. Denn Österreich trägt eine erhebliche Schuld an dem, was passiert ist.

Ein ziemlicher Sinneswandel: Vor einiger Zeit haben Sie eine Volksabstimmung zur Aufhebung des Verbotsgesetzes verlangt.

Ich habe diese Position korrigiert. Ich glaubte, dass Österreich eine reife Demokratie ist, die aushält, wenn jemand etwas sehr Dummes sagt. Es ist aber nicht besser geworden. Wir sind nicht so weit, das Verbotsgesetz streichen zu können.

Unlängst hat der Iran eine Rakete getestet, auf der geschrieben stand, dass Israel vernichtet werden müsse. Daraufhin forderte die Israelitische Kultusgemeinde, dass Präsident Rohani nicht in Wien empfangen wird.

Ich habe die Atomgespräche in Wien sehr begrüßt. Ein Fehler war es jedoch, im Rahmen des Abkommens nicht auf eine Anerkennung Israels durch den Iran zu pochen. Ich hätte großes Verständnis dafür, den Besuch Rohanis auszusetzen, bis der Iran das Existenzrecht Israels anerkennt.

Sie wollen ein Bundespräsident sein, der ins Ruder greift. Gilt das auch für die Außenpolitik?

Sebastian Kurz tritt außenpolitisch nicht unversiert auf. Aber die Dissonanzen mit der Bundesrepublik und Griechenland gefallen mir nicht. Es war sicherlich ein Fehler, Griechenland nicht zur Balkankonferenz nach Wien einzuladen.

Aber dann hätten Österreich und seine Nachbarländer in Wien nicht beschließen können, die Balkanroute zu schließen.

Aber das ist doch keine Lösung. Das Problem hat nun Griechenland. Und Schlepper suchen Ausweichrouten.

Sie kritisieren die Schließung der Balkanroute und plädieren für europäischen Gleichschritt?

Die Lösung kann nur sein, gemeinsam die Außengrenze zu schützen. Eine Grenzsicherung zwischen Österreich und den südlichen Ländern ist eine Notfallmaßnahme, wenn alles andere nicht mehr funktioniert. Der Flüchtlingsstau in Griechenland wird angesichts des sozialen Drucks nicht lang gut gehen. Die EU muss Frontex ausbauen, um die griechisch-türkische Grenze effektiv zu sichern und zu verhindern, dass Menschen elendiglich ertrinken.

Was halten Sie von der Vereinbarung der EU mit der Türkei, Flüchtlinge aufzuhalten und aus Europa zurückzunehmen?

Ich glaube nicht, dass es bei drei oder sechs Milliarden Euro bleibt. Das ist ein Erpressungsszenario. Die Türkei wird immer mehr Geld verlangen. Visumfreiheit oder schnellere Beitrittsverhandlung sind ein falscher Weg. Europa würde den Beitritt eines großen Landes wie der Türkei mit einer völlig anderen Kultur nicht verkraften.

Großbritannien stimmt am 23. Juni über den EU-Austritt ab. Wollen Sie ein solches Referendum auch in Österreich?

Ja, wenn sich die EU zu Vereinigten Staaten von Europa entwickelt und noch zentralistischer wird. Die Österreicher müssen auch entscheiden, ob sie EU-Mitglied bleiben wollen, wenn die Türkei beitritt.

Was halten Sie von den EU-Sanktionen gegen Russland?

Wirtschaft und Menschen leiden unter den Sanktionen, hier und in Russland. Es wäre an der Zeit, die Sanktionen auslaufen zu lassen.

Aber prinzipiell hielten Sie die Sanktionen für gerechtfertigt?

Nein, auch nicht. Der Grundfehler liegt länger zurück, als man sagte, die Krim ist nicht mehr russisch.

Das war 1954, als Chruschtschow die Krim der ukrainischen Sowjetrepublik schenkte.

Ja, aber nach dem Ende der Sowjetunion hätte man gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker die Bevölkerung der Krim unter internationaler Aufsicht befragen sollen.

Ihr Parteifreund Gudenus war als Wahlbeobachter auf der Krim. Er hat das Referendum nicht beanstandet. Sie schon. Sie beklagen den Mangel an internationaler Aufsicht.

Auch bei einem Referendum nach westlichen Kriterien wäre herausgekommen, dass die überwiegende Mehrheit für Russland stimmt.

Betrachten Sie die Annexion der Krim als Völkerrechtsbruch?

Natürlich, aber irgendwann muss man pragmatisch sein. Man kann nicht auf ewige Zeiten die Sanktionen weiterführen.

Ewig? Die Annexion war vor zwei Jahren. Und die Sanktionen beziehen sich großteils auf die Ostukraine. Hätte man die Separatisten dort gewähren lassen sollen?

Auch die Ostukrainer hätten sich in einem Referendum entschieden, Teil Russlands sein zu wollen.

Soll Südtirol abstimmen, ob es zurück nach Österreich will?

Das Selbstbestimmungsrecht gilt für Südtirol genauso. Ich bin immer noch für ein Referendum. Und für die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft.

Sonst ist die FPÖ bei der Gewährung von Doppelstaatsbürgerschaften nicht so großzügig.

Südtirol ist ein Sonderfall. Wenn die Wiener Vize-Bürgermeisterin eine Doppelstaatsbürgerschaft hat, wird man sie Südtirolern nicht verwehren dürfen.

("undefined", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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