Hofer schont Griss, Hundstorfer und Khol kämpfen ums Überleben

Hofer schont Griss, Hundstorfer und Khol kämpfen ums Überleben
Hofer schont Griss, Hundstorfer und Khol kämpfen ums Überleben(c) ORF (Milenko Badzic)
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Jeder gegen Jeden: Der ORF lud (fast) alle Hofburg-Kandidaten zum TV-Duell. Eine Sendung, die wahlentscheidend sein könnte.

Wien. Richard Lugner hatte unfreiwillig einen freien Abend. Der aussichtslose Bewerber um die Präsidentschaft musste zusehen, wie alle anderen Kandidaten im ORF gegeneinander antreten durften. Und zwar in einem völlig neuen Format: Die insgesamt zehn Konfrontationen wurden in der Form von Speed-Duellen ausgetragen. Jeweils nur fünfzehn Minuten hatten Irmgard Griss, Norbert Hofer, Rudolf Hundstorfer, Andreas Khol und Alexander Van der Bellen Zeit, das Publikum von sich zu überzeugen.

Die Fragen stellten abwechselnd die ZiB-Moderatoren Tarek Leitner und Marie-Claire Zimmermann. In den Duellen ging es für alle Kandidaten um viel: Alexander Van der Bellen, der seit Beginn des Wahlkampfs die Umfragen anführt, musste seine Favoritenrolle bestätigen, Norbert Hofer und Irmgard Griss ihre Ausgangslage verbessern, um in die Stichwahl zu kommen. Und für die Kandidaten der Koalition, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) war es fast schon die letzte Chance, noch entscheidend Boden gut zu machen.

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Die Unabhängigkeit und ihre Zwillingsschwester

Der nicht grüne Alexander Van der Bellen gegen die parteiunabhängige Irmgard Griss – also geht es sofort um das Thema Unabhängigkeit: Griss betont, dass sie die wirklich unabhängige Kandidatin ist, während Van der Bellen von den Grünen unterstützt wird. Dieser antwortet offensiv: Griss habe nie bei einer Partei angestreift. Aber die „Zwillingsschwester“ des Nicht-Anstreifens sei die Unerfahrenheit. Und er bringt Griss in die Defensive: Ihre Aussage, dass nicht alle Menschen gleich die böse Fratze des Nationalsozialismus erkannt hätten, sei ein typisches Beispiel dieser Unerfahrenheit. Das dürfe einem Repräsentanten des Staates nicht passieren. Griss muss sich verteidigen: Sie wisse natürlich, dass der Nationalsozialismus ein Schreckensregime sei. Aber: Niemand könne sagen, wie er sich damals verhalten hätte.
Fazit: Freundliches Duell zweier formal Unabhängiger, marginale Gegensätze.

Keine harten Fouls zwischen Schwarz-Blau

Keine allzu harten Bandagen und sogar eine Übereinstimmung – in der Ablehnung des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA: So lässt sich das Gespräch zwischen Andreas Khol (ÖVP) und dem freiheitlichen Norbert Hofer zusammenfassen. Mit einem Satz lässt Hofer aufhorchen. Er rechne damit, dass mit seinem allfälligen Einzug in die Hofburg die politische Instabilität im Land noch größer werden würde, und dass es im Herbst Neuwahlen geben werde.
Khol wiederum überrascht sein Gegenüber ausgerechnet in der Ausländerpolitik. Er äußert seine Verwunderung darüber, weshalb sich die Freiheitlichen gegen die in Aussicht gestellte Obergrenze der Bundesregierung ausspricht, was die Zahl der Asylwerber betrifft. Hofers Antwort: „Ich vertraue der Politik der Bundesregierung nicht. Es ist immer nur bei Ankündigungen geblieben.“

Politiker gegen Beamtin: Zwei Welten treffen sich

Wenn Berufspolitiker auf Richterin trifft, spürt man, dass sich die beiden fast als Aliens betrachten. Rudolf Hundstorfer greift Irmgard Griss frontal an: Politiker müssten gestalten, sie habe das ihr Leben lang nicht gemacht. Griss antwortet mit einem Vortrag über die Berufsrealität der Richter: Die würden sehr wohl gestalten. „Richter schaffen Recht“, so Griss. Nächster Angriff Hundstorfers: Sie möge doch ihre Wahlkampfständer genehmigen lassen. Die Stadt Wien habe schon etliche wegräumen müssen. Auch Moderator Tarek Leitner zielt gegen Griss: Da sie ihren Wahlkampf mit Spenden finanziert – ob das nicht in Richtung Kaufdemokratie gehe? Alles sei transparent, antwortet Griss – und ging selbst in den Gegenangriff über: Hundstorfer solle selbst seine Spenden offen legen. Auch die eine Million vom ÖGB. Hundstorfer: Die komme nicht vom ÖGB, sondern der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter.

Willkommenskultur entzweit ÖVP und Grüne

Als „Scharfmacher“, der sich sogar einen Verweis Kardinal Christoph Schönborns eingehandelt habe, attackiert Alexander Van der Bellen den ÖVP-Kandidaten Andreas Khol wegen dessen Aussagen in der Flüchtlingspolitik. Mit der Formulierung „nehmen Sie es mir nicht übel“ meint der frühere grüne Bundessprecher an die Adresse Khols, er finde es „komisch“, wenn dieser vom Thema Flüchtlinge sofort zum Terror gelange. Khol kontert: „Sie sind ein Anhänger der Willkommenskultur.“ Dann kommt es erstmals an diesem Abend zum ersten Schlagabtausch, denn Van der Bellen fällt Khol ins Wort: „Das weiß nicht einmal ich.“ Khol: „Wir können die Willkommenskultur nicht weiter führen. Um die Bevölkerung nicht zu überfordern, benötigen wir ein Grenzmanagement.“ Es gehe ihm angesichts drohender Brenner-Kontrollen „sauschlecht“. Italien müsse das Durchwinken beenden, so Khol.

Wenn die Diskussion untergriffig wird

Gut vorbereitet gehen Norbert Hofer und Rudolf Hundstorfer in ihr Duell: Beide haben Unterlagen über den jeweils anderen gesammelt. Hundstorfer will näheres über die Burschenschaft Hofers wissen, Hofer wiederum kritisiert Details aus der Tätigkeit Hundstorfers als ÖGB-Präsident. Die Zuseher bleiben oftmals ratlos zurück. Hofer wiederum bringt eine neue Note in die TV-Duelle: Er greift seinen Kontrahenten mehrmals auf persönlicher Ebene an. „Sie wirken verzweifelt und deprimiert“, sagt er beispielsweise. Eine Gesprächsebene ist nicht vorhanden – und ein echter Diskurs wohl auch gar nicht gewollt.

Khol packt für Griss die Neos-Punze aus

„Weshalb sind Sie für die Erbschaftssteuer? Das sind Konzessionen an die Neos.“ Mit diesem (Gegen)Angriff versuchte ÖVP-Bewerber Andreas Khol beim Duell Irmgard Griss in die Defensive zu drängen. Denn zuvor hatte diese als ihren großen Vorzug genannt, sie könne völlig frei von Parteiloyalitäten entscheiden: „Ich bin niemandem verpflichtet.“ Griss nannte die Bildungspolitik eine „Schande“, das Zusammenspiel von Bund und Ländern ein „Trauerspiel“. In der Flüchtlingspolitik sei sie gegen das „Zumachen“ der Grenzen. Khol: „Ich hätte viel früher die Regierung am Riemen gerissen.“

Zwei in der Tradition von Bruno Kreisky

Es war der erste Aufreger im Wahlkampf: Die SPÖ hat ein Papier für ihre Funktionäre verfasst, warum es Van der Bellen nicht kann – und damit das Fairnessabkommen verletzt. Eine Auflage für den grünen Kandidaten? „Schwamm drüber“, sagt der. Und sendet lieber selbst Signale an sozialdemokratische Wähler aus: Was ist aus der visionären SPÖ eines Bruno Kreisky geworden, will er wissen. „Das war eine andere Zeit“, antwortet Hundstorfer. Gestritten wird über die Flüchtlingspolitik, über die Obergrenze. Wo Van der Bellen diese sieht, will der SPÖ-Kandidat wissen. Die sei erreicht, wenn Caritas und andere Organisationen sagen, es geht nicht mehr. Welcher Politiker Österreich am meisten geprägt hat, will der Moderator wissen. „Bruno Kreisky“, antworten beide.

Schaumgebremster Hofer schont Griss

Es kommt besonders im TV nicht gut an, eine Frau zu attackieren. Das weiß der politische Profi Norbert Hofer genau. Entsprechend schaumgebremst verhält er sich gegenüber Irmgard Griss. An zwei Stellen gibt er ihr mit der Formulierung recht: „Ich sehe das genau so.“ Bei der Ablehnung eines Konkurses Kärntens. Oder der geänderten Aufgabenstellung für das Heer. Am Ende betont Hofer doch gesellschaftspolitische Differenzen. Er sei gegen Adoption für homosexuelle Paare.

Blau-grüner Wettstreit um den Begriff Heimat

Hofer gegen Van der Bellen – ist das schon das Duell in der Stichwahl? Laut Umfragen haben die beiden die besten Chancen – und es sind auch die Kandidaten, die ideologisch am weitesten außenander liegen. Interessant, dass beide den gleichen Begriff für sich reklamieren: Heimat. Van der Bellen dringt damit bewusst in das Territorium der Freiheitlichen ein: Der Heimatbegriff dürfe nicht deutschnationalen Burschenschaftern überlassen werden. Hofer greift seinen Kontrahenten frontal an: Dass dieser die FPÖ auch mit absoluter Mehrheit nicht in der Regierung will, rechtfertige die Bezeichnung „grüner faschistischer Diktator“. Van der Bellen will sich diesmal nicht festlegen: Eine absolute Mehrheit der FPÖ sei rein hypothetisch.

Hundstorfer und Khol kämpfen ums Überleben

Das Meeting der Männer der Ex-Großparteien Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol gestaltet sich sehr ruppig. Der SPÖ-Kandidat hält der ÖVP beispielsweise vor, „massive soziale Einschnitte“ zu planen, daher gebe es auch große Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Beide werfen einander später gegenseitig „Beliebigkeit“ vor. Khol: Hundstorfer bremse bei Pensionsreformen. Hundstorfer „zittert wie Espenlaub“ angesichts der Differenzen der SPÖ in der Ausländerpolitik, meint Khol. Das Fazit: Zwei plötzliche Außenseiter kämpfen um das politische Überleben.

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