Was den Grünen fehlt: Ein zweiter Van der Bellen

Van der Bellen und Grünen-Chefin Glawischnig
Van der Bellen und Grünen-Chefin GlawischnigAPA/HANS KLAUS TECHT
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Wer immer am Ende vorne ist: Für die Grünen war die Bundespräsidentenwahl ein großer Erfolg. Ab sofort werden sie sich – inhaltlich wie strategisch – neu orientieren müssen. Und zwar am neuen Kanzler Christian Kern.

Unabhängig davon, ob Alexander Van der Bellen Bundespräsident wird oder nicht – für die Grünen war seine Kandidatur ein unvergleichlicher Erfolg. Von solchen Sympathiewerten, wie sie der „Herr Professor“ hat, kann die Zwölf-Prozent-Partei sonst nur träumen.
Der Wahlerfolg lässt aber ein Problem in aller Schärfe hervortreten, das den Grünen noch viel Kopfzerbrechen bereiten wird: Sie haben keinen zweiten Van der Bellen. In der Partei gibt es niemanden mehr, der so ein breites Wählerspektrum anspricht. Eva Glawischnig mag in der Partei anerkannt sein, eine Integrationsfigur nach außen ist sie nicht.

Wobei die Grünen unter Glawischnig bei der Nationalratswahl 2013 – mit 12,4 Prozent – besser abgeschnitten haben als jemals unter Van der Bellen. Und die Bundespräsidentenwahl, zugegeben, ein Sonderfall war. Zugeständnisse an potenzielle Wähler, wie sie sich Van der Bellen herausgenommen hat, würde die Basis in einem regulären „grünen“ Wahlkampf einem Spitzenkandidaten nicht durchgehen lassen. Aber erstens war Van der Bellen ja offiziell kein grüner Kandidat und zweitens galt als Devise: Der Zweck – Norbert Hofer verhindern – heiligt die Mittel.

Ab sofort werden sich die Grünen neu orientieren müssen, und zwar am neuen Kanzler. Inhaltlich, aber auch strategisch. Findet die SPÖ unter Christian Kern (annähernd) zu alter Stärke zurück, könnte das zulasten der Grünen gehen. Oder zu ihrem Vorteil sein. Nämlich dann, wenn sich nach der nächsten Wahl Rot-Grün ausgeht. Dazu müssten die Grünen aber in die Nähe von 15 Prozent kommen – wenn nicht darüber hinaus.

Macht Wien den Unterschied?

Auf die Situation der Wiener Grünen hat Van der Bellens Erfolg hingegen überschaubaren Einfluss. Natürlich wird man mit Genugtuung trommeln, dass das rot-grüne Wien deutlich für Van der Bellen gestimmt (und am Ende womöglich den Unterschied ausgemacht) hat. Tatsächlich ist etwas Ähnliches wie bei der Wien-Wahl passiert: Damals hat die SPÖ unter dem Motto „FPÖ verhindern“ auch Grün-Wähler hinter sich geschart. Nun war es umgekehrt.

Wobei es den Grünen auch gelungen ist, in „klassischen ÖVP-Bezirken“ wie Hietzing oder Döbling zu punkten. Über künftige Wahlerfolge auf Landesebene sagt das aber wenig aus. Zumal es um die Wiener Grünen still geworden ist. Einerseits, weil zuletzt alle über die SPÖ geredet haben. Andererseits aber, weil auch die Grünen mit sich beschäftigt sind. Gerüchte, dass sich die Macht immer mehr von Planungsstadträtin Maria Vassilakou hin zu Klubchef David Ellensohn verschiebt, gab es schon länger. Lang heftig dementiert, haben sie sich zuletzt verdichtet.

(Print-Ausgabe, 23.05.2016)

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