Die österreichische Präsidentschaftswahl sei ein Warnsignal für Deutschland, sagte der jüdische Zentralratspräsident Schuster.
Der Präsident des deutschen Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht die Präsidentenwahl in Österreich als "Warnsignal auch für uns in Deutschland". "So erleichtert wir den Wahlsieg von Alexander Van der Bellen zur Kenntnis genommen haben, so besorgniserregend ist dennoch die hohe Zustimmung, die der Rechtspopulist Norbert Hofer erlangt hat", sagte Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Trotz des drastischen Rückgangs der Flüchtlingszahlen auch in Österreich habe knapp die Hälfte der Wähler für einen Kandidaten gestimmt, der auf Ausgrenzung statt Integration setzte, sagte Schuster. Er mahnte die demokratischen Parteien in Deutschland, sich nicht dazu verleiten zu lassen, "auf die rechte Überholspur zu gehen". Toleranz und Solidarität müssten verteidigt werden.
Zahlreiche Reaktionen zum Wahlsieg von Alexander Van der Bellen gibt es aus dem In- und Ausland. Der Bogen der Kommentare reicht von "Er versteht etwas von Wirtschaft" bis "freuen wir uns nicht zu sehr". Wir bringen eine Auswahl der Statements. APA/ROLAND SCHLAGER Kardinal Christoph Schönborn appellierte an den zukünftigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, nach der Wahl "das Land zusammenzuführen": "Angesichts des sehr knappen Wahlergebnisses ist es besonders wichtig, dass der Bundespräsident das Einende vor das Trennende stellt", sagte der Wiener Erzbischof. Vom Bundespräsidenten werde erwartet, dass er das Land als Teil der Völkerfamilie repräsentiert und ein Vorbild für das gute Miteinander sei, meinte Schönborn. Er wünsche dem neuen Bundespräsidenten Gottes Segen für sein hohes Amt. REUTERS Betont lakonisch hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier den knappen Ausgang der Wahl kommentiert. "Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen", lautete am Montagabend der einzige Satz einer Pressemitteilung mit dem Titel "Außenminister Steinmeier zu den Präsidentschaftswahlen in Österreich". Zuvor hatte Steinmeier den selben Satz schon auf Twitter verbreitet. APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat am Montagabend mit van der Bellen telefoniert und ihm zum Wahlsieg gratuliert, teilte eine Kommissionssprecherin mit. Der christdemokratische Politiker hatte sich im Wahlkampf klar auf die Seite Van der Bellens geschlagen. Er sehe sich gezwungen zu sagen, "dass ich sie nicht mag", sagte Juncker der Zeitung "Le Monde" mit Blick auf die FPÖ und ihren Kandidaten Norbert Hofer. "Mit den Rechtspopulisten ist weder eine Debatte noch ein Dialog möglich." Bloomberg Alexander Van der Bellen müsse jetzt versuchen, die Spaltung des Landes zu überwinden und auf die Hofer-Wähler zugehen, meint Claus Raidl, Präsident der Nationalbank. Das Wahlergebnis basiere ja auf der Frustration über die Stagnation in der Regierung. In der FPÖ werde es sicher auch rumoren. Für Strache sei das kein gutes Ergebnis, denn viele in der Partei werden Hofer als Kanzlerkandidaten sehen wollen. Die Menschen wählen offenbar lieber Hofer als die FPÖ – also sei er der gefährlichere Kandidat als Strache. Aber Strache wolle natürlich Kanzler werden. (c) Clemens Fabry "Um ein Haar hätte Österreich wieder einmal ein Staatsoberhaupt bekommen, das die Welt mit Verblüffung und Abscheu betrachtet hätte, um ein Haar hätte dieses Land wieder einmal den Vorreiter in Sachen Ressentiment gegeben", kommentierte Autor Daniel Kehlmann den Wahlausgang: "Der erste FPÖ-Präsident: eine scheußliche Möglichkeit, die uns knapp erspart blieb. Merken wir es uns, und freuen wir uns nicht zu sehr – denn die nächste Wahl kommt bald. Einstweilen Grund zum Aufatmen sowie Erleichterung über einen Präsidenten, dem man die Hand schütteln kann und für den man sich vor der Welt nicht schämen muss", sagte Kehlmann. (c) Fabry "Die Regierungsparteien haben beim ersten Wahlgang nur elf Prozent für ihre Kandidaten erreicht. Das war beschämend", sagte Hannes Androsch, Industrieller und Ex-Minister, und weiter: "Die Leute haben resigniert und sind voll Wut und Zorn – und das völlig zu Recht." Auch die Wirtschaft sei zu Recht empört – ob in Industrie, Landwirtschaft oder Gastronomie. Deswegen gelte für die Wahl von Alexander Van der Bellen das Gleiche wie für einen Sieg Norbert Hofers: Der neue Kanzler und der ÖVP-Chef müssten jetzt verstehen, dass sie eine allerletzte Chance bekommen haben. Sonst seien sie weg. imago/SKATA Sie sei froh und glücklich, dass Alexander Van der Bellen diese wichtige Wahl für sich entscheiden konnte, brachte Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, ihre Gefühle zum Ausdruck. "Der Sieg war ja nicht vorherzusehen und ist Ausdruck der Aufbruchstimmung, die das Land seit Kurzem erfasst hat. Ich bin mir sicher, dass der neue Bundespräsident den Weg seines verdienstvollen Vorgängers Heinz Fischer im Sinne Österreichs fortsetzen wird, und wünsche ihm alles Gute für seine große Aufgabe" so Rachinger. (c) Fabry Auf Hofer und dessen Wahlkampf ist FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl "sehr sehr stolz", er habe 50 Prozent der Wähler überzeugt. Der Sieger Alexander Van der Bellen habe eine "große Verantwortung im Umgang" mit diesen Wählern. Die FPÖ habe überdies bewiesen, dass sie sehr wohl geeignetes Personal für "wesentliche Aufgaben im Staat" habe. Man werde keine "Wahlanfechtung um der Wahlanfechtung willen" durchführen, so Kickl. (c) Clemens Fabry "Die Wahl Alexander van der Bellens ist gewiss ein Schritt in die richtige Richtung, vor allem die Symbolkraft des Vorgangs ist kaum zu unterschätzen", meint Autor Peter Rosei, und weiter: "Das Wesentlichere, Entscheidendere für die Zukunft des Landes wird aber doch sein, ob die (ehemals) großen Parteien zu einem überzeugenden Narrativ sich finden, ja, ich möchte sagen, sich neu erfinden können. Mit zurückfinden wird es jedenfalls nicht getan sein. Es geht dabei vor allem um die Positionen Bildung für alle, neue Jobs, Mindestsicherung und nachhaltiges Wirtschaften. Was meine ich, wenn ich Narrativ sage? Was die Menschen brauchen, was sie gelegentlich begeistert und über den Rahmen eigener Befindlichkeit hinausschauen lässt, ist ein Bild, das Vergangenheit und Gegenwart sinnfällig in Zusammenhang bringt, die Gegebenheiten in die Zukunft hinein ausdeutet und mit dieser Deutung zugleich den Weg weist, wie den Schwierigkeiten, die ringsum bestehen und gewiss ständig neu auftauchen werden, zu begegnen ist und sein wird. Der Kampf um ein menschlich verfasstes Zusammenleben ist nie endgültig und ein für allemal gewonnen. Der Kampf geht weiter." APA/ROBERT JAEGER Wenn man ihm vor drei Monaten dieses Ergebnis vorausgesagt hätte, würde er das als krassen Irrtum abgetan haben, sagte Schriftsteller Karl-Markus Gauß. "Guter Kenner Österreichs, der ich glaubte zu sein, habe ich seit Jahren die These verfochten, dass die Freiheitliche Partei und sämtliche ihrer scharfen oder moderaten Kandidaten eine Obergrenze haben, was ihre Einwanderung ins Parlament, in die Landesregierungen und in die hohen Staatsämter betrifft: 33 Prozent. Inzwischen bin ich belehrt worden, es ist eine schlimme Belehrung", sagte Gauß. APA Neos-Chef Matthias Strolz freut sich über die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten. "Die Mehrheit der Österreicher hat sich für einen weltoffenen und europaorientierten Präsidenten entschieden, das ist positiv. Ich wünsche Alexander Van der Bellen alles Gute für seine Aufgabe", sagte Strolz. (c) Clemens Fabry Er sei sehr beruhigt, sagte Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina. Denn mit Van der Bellen wird Österreich durch einen liberalen, besonnenen und kosmopolitisch denkenden Bundespräsidenten repräsentiert. Er symbolisiert jene Toleranz, die wir heute dringend brauchen in der durch Individualisierung, Globalisierung und Migration sich ändernden Gesellschaft. (c) Clemens Fabry Er schätze Alexander Van der Bellen sehr, er ist ein Kollege, er versteht etwas von der Wirtschaft, sagte Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrats. Es werde ihm zwar nicht geglaubt, aber er sei auch kein Vertreter des Ancien Régime in Österreich. Felderer habe ein paar Mal mit ihm debattiert. Wenn er ein gutes Argument höre, dann ändere er seine Meinung, so Felderer. (c) Clemens Fabry Der italienische Außenminister Paolo Gentiloni zeigte sich über den Sieg von Alexander Van der Bellen erleichtert. Es gehe ein "Seufzer der Erleichterung" durch ganz Europa, "und auch wir Italiener atmen auf, weil Österreich eines jener Länder ist, mit dem wir am engsten verbunden sind, ein benachbartes und befreundetes Land", sagte der Außenminister. APA/AFP/JOHN THYS Für ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wird die große Herausforderung für den neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen sein, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. "Alexander Van der Bellen hat immer hervorgehoben, dass er sich als Verbinder sieht - innerhalb Österreichs und auch in die Welt", betonte Lopatka. APA/ROLAND SCHLAGER Der Industrielle und Berndorf-Chef Norbert Zimmermann meinte, Alexander Van der Bellen werde, wie Heinz Fischer, einen guten Job machen. Extreme Spannungen seien nicht zu erwarten. Man habe im Vorfeld viel in dieses Amt hineininterpretiert, das es gar nicht sei. Allerdings könnte es zu einer Stärkung der FPÖ im Hinblick auf die kommenden Nationalratswahlen kommen. Man werde von blauer Seite immer darauf hinweisen, dass es eine linke Machtkonzentration gebe. Mit Hofer habe die FPÖ einen guten Mann im Rennen, Strache sei verbraucht. (c) Clemens Fabry Die rechtsradikale ungarische Jobbik-Partei, mit der Hofer (Bild) nichts zu tun haben will, bedauert unterdessen die knappe Niederlage des Freiheitlichen. Trotz "Erwartungen und engagierter Arbeit der österreichischen Nationalen" habe er "den Endsieg bei der Bundespräsidentenwahl nicht erringen" können, teilte Jobbik am Montag mit. Hofers Erfolg habe dennoch "historische Bedeutung" für Europa. APA/AFP/JOE KLAMAR "Das Volk hat gewählt, eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Für SPÖ und ÖVP ist es eine Blamage", sagte Oberbank-Chef Franz Gasselsberger. Wir erleben eine Polarisierung der Gesellschaft, wie wir sie in der Zweiten Republik noch nicht gesehen haben. Alexander Van der Bellen sei ein klarer Befürworter der Europäischen Union, daher werden sich diejenigen freuen, die EU-orientiert sind. Es würde ihn aber stören, würde Van der Bellen einen blauen Kanzler, der demokratisch legitimiert ist, nicht angeloben. Das bleibe abzuwarten. APA/HANS KLAUS TECHT Der französische Ministerpräsident Manuel Valls hat sich erleichtert vom Sieg Alexander Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl gezeigt. "Erleichterung zu sehen, dass die Österreicher den Populismus und den Extremismus zurückgewiesen haben", teilte Valls über Twitter mit. "Jeder in Europa sollte seine Lehren daraus ziehen", fügte der sozialdemokratische Politiker in Anspielung auf das starke Abschneiden des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer hinzu. APA/AFP/GALI TIBBON Der FPÖ-Kandidat sei "mit mutigen und klaren Positionen vor allem auch in der Asylkrise" angetreten, sagte AfD-Vizechef Jörg Meuthen. "Die große Zustimmung für Hofer macht deutlich, dass immer mehr Menschen Vernunft vor Utopie wählen und sich nicht mehr von Allgemeinplätzen und angeblichen Alternativlosigkeiten beirren lassen." REUTERS Der Autor Peter Turrini glaubt nicht, "dass es Hofer gelungen wäre, als Präsident eine andere Republik herbeizuführen. Ich glaube aber, dass es eine Tendenz markiert hätte: Nämlich dass in dieser Republik früher oder später eine generelle Machtübernahme stattfindet." Van der Bellen ist für Turrini "sicher eine erfreuliche Lösung, weil er vermutlich in der Tradition von Heinz Fischer agieren und das sein wird, dem er in Wahrheit immer schon entsprochen hat: Er hat ja etwas von einem freundlichen Opa an sich, und das ist genau die richtige Voraussetzung für einen Bundespräsidenten." APA/HERBERT NEUBAUER Reaktionen: ''Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen'' >>> Der Bericht in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
(APA/AFP)
Lesen Sie mehr zu diesen Themen: