Der verkehrte Wahlkampf

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Van der Bellen gibt sich volksnah, Hofer als staatstragend. Beide versuchen, im Lager des anderen Stimmen zu fischen.

Wien. „Kannst du nicht allen gefallen, durch deine Tat und dein Kunstwerk, mach es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm“, meinte Friedrich von Schiller. Er war eben nicht Präsidentschaftskandidat. Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen hingegen versuchen vor der Wiederholung der Stichwahl am 2. Oktober, im Wählerreservoir des jeweils anderen zu fischen. Drei Thesen zum Wahlkampf, der nun in die heiße Phase geht.

1 Alexander Van der Bellen will der bessere Norbert Hofer sein.

Er sei nur ein Vertreter der Hautevolee und ein schlechter Patriot, hieß es von blauer Seite über Van der Bellen. Und tatsächlich zeigte Van der Bellen im Frühjahr Defizite, wenn es darum ging, volksnah zu wirken. Etwa, als er in einer TV-Diskussion vor nun arbeitslosen Zielpunkt-Mitarbeitern reden musste und hilflos wirkte. Auch auf dem Land hatte Van der Bellen wenig zu melden, wie das Wahlergebnis im Frühjahr zeigte.

Das soll diesmal anders werden: Van der Bellen als Fußballfan im Stadion des Arbeiterklubs Rapid, Van der Bellen bei der Krönung der Weinkönigin in Eisenstadt, Van der Bellen von Dirndlträgerinnen umringt beim Neustifter Kirtag. Zahlreiche Fototermine sollen beweisen, wie volksnah der frühere Grünen-Chef doch ist. Dass er Journalisten zu einer Wanderung durch sein heimatliches Kaunertal eingeladen hat, ist ebenso wenig Zufall wie der schon im Frühjahr heimatbetonte Wahlkampf Van der Bellens. „Für unser viel geliebtes Österreich“ steht auf einem neuen Plakat des Grünen und soll Hofer den Rang als oberstem Patrioten streitig machen.

2 Norbert Hofer will der bessere Alexander Van der Bellen sein.

Ist er ein Populist, der Österreich isoliert und in dem Europa einen Rechtsextremen sieht? Norbert Hofer tut alles, um den von grüner Seite erhobenen Vorwurf zu entkräften, er könnte Österreich nicht gut repräsentieren.

Hofer fährt ins benachbarte Ausland auf eine Art Staatsbesuch und trifft Politiker aus Slowenien und Kroatien. Der FPÖ-Politiker nimmt an einem Treffen der Paneuropäischen Union teil, die unter dem Vorsitz von Karl Habsburg steht. Hofer will nichts von einem Öxit wissen und betont, keine Anti-EU-Kampagne führen zu wollen. Sein neuer Plakatslogan „Macht braucht Kontrolle“ wurde staatstragend gewählt und erinnert an Ex-Bundespräsident Thomas Klestil (wenngleich die FPÖ den Spruch selbst auch schon in den 1970er-Jahren verwendet hat). Hofer hat vor allem in Großstädten und im Bildungsbürgertum Aufholbedarf: In Wien erreichte er in der Stichwahl am 22. Mai bloß 36,7 Prozent, in Graz sogar nur 35,6 Prozent.

3 Wer gewinnen will, muss die Wähler diesmal besonders motivieren.

Bei der ersten Stichwahl konnten beide gut mobilisieren, die Wahlbeteiligung lag um vier Prozentpunkte höher als beim ersten Wahlgang, obwohl viele ihren Lieblingskandidaten nicht mehr auf dem Stimmzettel vorfanden. Diese Leute, die weder besondere Hofer- noch Van-der-Bellen-Anhänger sind, noch einmal zu mobilisieren, wird am 2. Oktober schwieriger. Die allgemeine Themenlage (Flüchtlinge, Terrorgefahren) dürfte Hofer entgegenkommen. Andererseits könnte Van der Bellen nach dem Brexit mit Warnungen vor den Folgen eines antieuropäischen Kurses durch die FPÖ punkten.

Zwischen beiden lagen bei der Stichwahl am 22. Mai nur 30.863 Stimmen, ein hauchdünnes Ergebnis. Darum muss jeder so sehr danach trachten, im Wählerspektrum des anderen zu fischen. Ohne aber bei den eigenen Leuten unglaubwürdig zu werden. Denn sonst behält am Ende Schiller doch recht.

DIE DUELLE

Die TV-Konfrontationen werden neben dem allgemeinen Wahlkampf eine zentrale Rolle bei der Entscheidung spielen, wer österreichischer Bundespräsident wird. Der Privatsender Puls4 will sein Duell als Erster am 18. September über die Bühne gehen lassen. ATV folgt am 25. September. Hat der Sender im Mai noch das Experiment gewagt, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ohne Moderator diskutieren zu lassen, soll diesmal ATV-Redakteur Martin Thür die Diskussion leiten. Ohne Moderator ist die Debatte betont untergriffig geführt worden. Der ORF hat seine Konfrontation am 29. September angesetzt, also drei Tage vor dem Wahlgang, der am 2. Oktober stattfinden wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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