Schnizer: "Wahlentscheidung ist kein wiederholtes Würfelspiel"

Verfassungsrichter Johannes Schnizer im ORF bei Armin Wolf.
Verfassungsrichter Johannes Schnizer im ORF bei Armin Wolf.(c) Screenshot: ORF
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Verfassungsrichter Schnizer hat in der ORF-Sendung "ZiB2" seinen Vorwurf gegen die FPÖ und die Aufhebung der Hofburg-Stichwahl verteidigt. Sie war "Folge unserer langjährigen Judikatur".

Verfassungsrichter Johannes Schnizer hat seine Aussagen zur Aufhebung der Präsidentenwahl verteidigt. „Es ist natürlich äußert unerfreulich gewesen, dass wir gezwungen waren, die erste Stichwahl aufzuheben, allerdings ist es eine Folge unserer langjährigen Judikatur“, sagte der Höchstrichter Dienstagabend in der ORF-Sendung „ZiB 2“. So habe man erst im Vorjahr die Bürgermeister-Stichwahl in Hohenems und in Bludenz aufgehoben. Überdies hätte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) seit dem Jahr 1927 insgesamt 136-mal Wahlen aus den gleichen Gründen aufgehoben. Es gebe folglich keinen Grund, warum man gerade heuer von dieser Judikatur abgehen sollte.

Bei der Stichwahl am 22. Mai zwischen dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und dem von den Grünen unterstützten Alexander Van der Bellen sei es, wie Schnizer zuvor schon dem „Falter“ gesagt hatte, nicht zu „vernachlässigbaren Schlampereien“ gekommen, „sondern in einem Ausmaß von siebzig-, achzigtausendmal das Wahlgeheimnis verletzt worden“. Ein Einfluss auf das Wahlergebnis sei damit „nicht auszuschließen“. Freilich könne eine eindeutige Einflussnahme nur nachgewiesen werden, wenn es um die bloße Stimmauszählung gehe. Allerdings: „Es geht darum, dass eine demokratische Wahlentscheidung nicht ein millionenfach wiederholtes Würfelspiel ist.“

Auf die Frage, warum nicht einfach die betroffenen, fehlerhaften Stimmen annulliert wurden, meinte Schnizer: „Das ist deswegen nicht gegangen, weil ein unbestimmbarer Prozentsatz der Wähler (Stichwort: es fehlt ein zentrales Wählerregister, Anm.) dann, obwohl ihre Stimme ohnedies rechtmäßig gewertet worden ist, noch ein zweites Mal wählen hätte können. Das ist mit dem Grundsatz der gleichen Wahl nicht vereinbar.“

"So etwas kann man nicht in einer Woche vorbereiten"

An seiner Kritik an den Freiheitlichen hielt der Verfassungsrichter im ORF fest. Gegenüber dem „Falter“ hatte Schnizer ja gesagt: „Offenkundig war einer der Wahlwerber entschlossen, den Sieg des anderen nicht zu akzeptieren. Er hat bereits vor der Stichwahl die Wahlanfechtung aufgrund von Mängeln bei vorangegangenen Wahlen vorbereitet, die in diesem Ausmaß nicht allgemein, aber offenkundig den Wahlbeisitzern dieses Kandidaten bekannt waren; sie haben aber in der Wahlbehörde (mit einer Ausnahme) nicht darauf hingewirkt, rechtmäßig vorzugehen. Ein anderer Kandidat hätte vielleicht gesagt, er akzeptiert auch eine Niederlage.“ Die FPÖ hatte Schnizers Vorwurf daraufhin am Dienstag vehement zurückgewiesen. „Zu behaupten, die FPÖ habe bereits vor der Stichwahl die Wahlanfechtung vorbereitet, ist eine glatte Unterstellung, die wir aufs Schärfste zurückweisen“, sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.

Schnizer ergänzte nun, dass seiner Ansicht nach die von den Freiheitlichen eingebrachte Anfechtungsschrift „überaus ausführlich“ ausgefallen sei. „So etwas kann man nicht in einer Frist von einer Woche vorbereiten, meiner Einschätzung nach - aber vielleicht täusche ich mich“, räumte Schnizer ein, der seit 2010 eines der 14 Mitglieder des VfGH ist.

"Absolut zur Objektivität verpflichtet"

Dass ein Verfassungsrichter zu Urteilen Stellung beziehe, sei jedenfalls nicht ungewöhnlich, rechtfertigte der 57-Jährige sein „Falter“-Interview und seinen ORF-Auftritt. Denn Diskussionen in rechtswissenschaftlichen Kreisen seien üblich. „Das Einzige, was ungewöhnlich ist: Dass hier eine breite Öffentlichkeit an der Diskussion beteiligt ist“, sagte er. Detail am Rande: Der Präsident des VfGH, Gerhart Holzinger, hat bisher jeglichen Medienauftritt zum Thema Wahlaufhebung abgelehnt.

Durch sein Bekenntnis, bei der aufgehobenen Stichwahl Van der Bellen gewählt zu haben, sieht Schnizer seine Neutralität als Richter übrigens nicht gefährdet. Denn jeder Richter habe seine Weltanschauung und im Verfahren sehe er sich „absolut zur Objektivität verpflichtet“.

>>> Zum "ZiB 2"-Beitrag

(hell)

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