Sag, wie hast du's mit der Religion?

Archivbild Rudolf Kirchschl�ger
Archivbild Rudolf Kirchschl�ger(c) APA (TECHT Hans Klaus)
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Rudolf Kirchschläger fügte dem Gelöbnis als Erster ein „So wahr mir Gott helfe“ an. Heute kämpfen ein Agnostiker und ein Protestant um das Amt. Über Bundespräsidenten und Religion.

Das katholische Österreich bekommt entweder – und zwar schon wieder – ein agnostisches Staatsoberhaupt. Oder aber ein evangelisches. Dort, wo einst seine Apostolische Majestät, der Kaiser, residierte, wird mit Alexander Van der Bellen nun ein Ungläubiger oder mit Norbert Hofer ein Lutheraner einziehen. Der Freiheitliche Norbert Hofer, der auf seinen Plakaten nun auch einen Gottesbezug („So wahr mir Gott helfe“) hat, hat ein recht ambivalentes Verhältnis zu Religion und Kirche. Er bezeichnet sich als gläubig („Ich spreche jeden Tag mit meinem Schöpfer“) und war einst Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Als eine Gruppe von Theologen und katholischen Aktivisten im Jahre 2009 vor der FPÖ, ihrer ideologischen Ausrichtung und ihren Methoden warnte, trat er aus Protest aus.

Mit einer geharnischten und für den bis dahin zurückhaltenden Vizeparteichef Norbert Hofer durchaus ungewöhnlichen öffentlichen Stellungnahme: Er sei „angewidert“ von dieser „Hexenjagd“ gegen die FPÖ und ihre Mitglieder. „Die katholische Amtskirche hat mich aufgrund der scheinmoralischen Aktivitäten ihrer linken Neo-Inquisitoren, falscher Frömmler und wahrer Heuchler endgültig verloren.“ Hofer trat daraufhin der evangelischen Kirche bei.

In dieser war auch Alexander Van der Bellen einmal. Der Sohn russisch-estnischer Emigranten war als Protestant erzogen worden. „Man sagt von Agnostikern, dass ihnen die Gnade des Glaubens abhandengekommen ist. Diese Gnade habe ich als Kind wohl kurz erfahren“, schreibt Van der Bellen in seiner Autobiografie. Aber: „Der Gott, der alles über dich weiß, engt deine Freiheit ein.“ So habe er dann als Heranwachsender gedacht. Eine Zeit lang liebäugelte er mit dem Katholizismus: „Als junger naiver Mensch hatte ich den Eindruck, dass die Katholiken ein leichteres Leben haben.“ Während die Evangelischen alles mit sich und ihrem Gott ausmachen müssten, gingen Katholiken einfach beichten. „Das schien mir lebensfreundlicher.“

Van der Bellens Austritt

Anfang der Siebzigerjahre trat Van der Bellen dann aus der Kirche aus. Aus Ärger über seinen Innsbrucker Pfarrer. Der 68er-Zeitgeist wird wohl auch eine Rolle gespielt haben. Heute, sagt er, habe er wieder ein entspannteres Verhältnis zur Religion. „Im Wesentlichen hatte ich meine antiklerikale Phase mit 26 Jahren überwunden.“ Dann und wann trage er sich sogar mit dem Gedanken, seiner Kirche wieder beizutreten.

Und wie hielten es die Vorgänger mit der Religion? Heinz Fischer war bekanntermaßen Agnostiker. Wie die meisten der sozialdemokratischen Staatsoberhäupter nach 1945. Karl Renner war zwar katholisch aufgewachsen, aber dann ausgetreten. „Die persönliche Gottesvorstellung erlitt Schiffbruch in den Katastrophen meines Vaterhauses.“ Das Elternhaus war versteigert worden, Vater und Mutter, ehemalige Bauersleute, zusehends verarmt – was den Sohn dann auch in die Arme der Sozialdemokratie führte. Als er dann während einer Beichte vom Pfarrer noch über sein Intimleben ausgefragt wurde, reichte es ihm mit der Kirche.

Sein Nachfolger, Theodor Körner, der „rote General“, war als ehemaliger k.u.k. Offizier hingegen Mitglied der katholischen Kirche geblieben. Schon als Jugendlicher die Kirche verlassen hatte Adolf Schärf. Seine Kinder jedoch erzog er evangelisch. Und er bemühte sich um eine Aussöhnung der SPÖ, der er auch als Parteichef vorstand, mit der katholischen Kirche. Sein wichtigster Ansprechpartner war der damalige Wiener Erzbischof, Kardinal Franz König. Ebenfalls aus der Kirche schon in jungen Jahren ausgetreten war Bundespräsident Franz Jonas. Ihm gegenüber sprach Papst Paul VI. dann jedoch bei einer Privataudienz 1971 die Worte von Österreich als einer „Insel der Seligen“.

„Pater Rudi“ Kirchschläger

Und dann kam Rudolf Kirchschläger. Spitzname „Pater Rudi“. Der von der SPÖ nominierte Unabhängige war ein tiefgläubiger Katholik, mit seinen salbungsvollen, moralisch unterfütterten Reden erinnerte er mitunter tatsächlich an einen Pfarrer. Kirchschläger übrigens fügte der Gelöbnisformel als erster Bundespräsident der Zweiten Republik ein „So wahr mir Gott helfe“ an. Die beiden Christdemokraten Kurt Waldheim und Thomas Klestil behielten das dann bei. Bei der nächsten Angelobung eines Bundespräsidenten – voraussichtlich im Jänner 2017 – stehen die Chancen dann 50:50, dass dieser Satz fällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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