Vierter Anlauf: Wer zieht in die verwaiste Hofburg ein?

Bundespräsidentenwahl, vierter Anlauf: Wer zieht in die verwaiste Hofburg ein?
Bundespräsidentenwahl, vierter Anlauf: Wer zieht in die verwaiste Hofburg ein?(c) APA/AFP/JOE KLAMAR (JOE KLAMAR)
  • Drucken

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen gehen heute in die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl. Erneut könnten die Briefwähler den Ausschlag geben.

Elf Monate Wahlkampf, vier Wahltermine, drei Wahlgänge, und ein „Klebergate“ : Wenn heute die Wahllokale schließen, hat Österreich eine Bundespräsidentschaftswahl erlebt, die in die Geschichte eingehen wird. Freilich nicht ausschließlich wegen des längsten Wahlkampfs der Zweiten Republik und der Briefwahl-Pannen - zum ersten Mal wird auch ein Bundespräsident weder aus dem Lager der SPÖ noch der ÖVP stammen. Ob es der Freiheitliche Norbert Hofer oder der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen sein wird, ist nach Einschätzung aller Meinungsforscher vollkommen offen.

Auch wenn es sich bei der Stichwahl um eine Wiederholung handelt, vieles ist neu. Der Verfassungsgerichtshof hob die Wahl vom 22. Mai nicht nur wegen Rechtswidrigkeiten bei der Briefwahlauszählung auf, sondern auch weil das Innenministerium (wie auch bei anderen Wahlen) Ergebnisse schon vor dem Schließen der letzten Wahllokale um 17 Uhr an Medien und Hochrechner weitergegeben hatte. Daher werden die ersten Hochrechnungen diesmal nicht wie gewohnt um Punkt 17 Uhr veröffentlicht, sondern erst etwa fünfzehn Minuten später. Anders als sonst wird Innenminister Wolfgang Sobotka das vorläufige Endergebnis gegen 19:30 Uhr auch nicht selbst verkünden, sondern erst nach dem Auszählen der Wahlkarten vor die Kameras treten.

Ergebnis erst Montag oder gar Dienstag"

Bei der aufgehobenen Stichwahl hatten die Wahlkarten den Ausschlag für den knappen Sieg Van der Bellens gegeben. Auch diesmal könnten die Briefwähler entscheiden. Um eine erneute Aufhebung zu vermeiden, hat das Innenministerium genaue Vorgaben gemacht, wie diese Stimmen auszuzählen sind - unter anderem nicht vor Montag 9 Uhr. Dadurch könnte sich die Wartezeit bis zu einem Ergebnis verlängern (im Mai wurde es am Montag vor 17 Uhr verkündet). In Tirol warnte man sogar, man könnte bis Dienstag brauchen, um alle Wahlkarten auszuzählen.

Geändert hat sich in dem halben Jahr seit der Stichwahl auch die innen- wie die weltpolitische Lage. Die SPÖ ist zuletzt zumindest atmosphärisch näher an die FPÖ gerückt, und bei der ÖVP hat die Hofburg-Wahl Gräben aufgerissen. Während sich im Mai im Wesentlichen nur schwarze Ex-Parteigranden öffentlich zu Van der Bellen bekannten, outete sich nun auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner als Wähler des Professors. Klubchef Reinhold Lopatka führt das (kleinere) Gegen-Lager an und handelte sich dafür eine Rüge seines Parteichefs ein.

Trump-Effekt in Österreich?

Größer waren die weltpolitischen Umbrüche. Das Brexit-Votum und Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten wurden als Siege des Populismus und Abfuhren für die „Eliten“-Politik gewertet. Während manche Experten wenig Einfluss auf die österreichische Wahl voraussagen, orten andere dadurch Aufwind für Hofer.

Van der Bellen warnte denn auch vor einem Trump-Effekt. Österreich dürfe nicht das erste westeuropäische Land werden, „in dem Rechtsdemagogen die Macht übernehmen.“ Ein Präsident Hofer, suggerierte er auch auf seinen Plakaten, würde dem internationalen Ansehen des Landes schaden. Hofer versuchte das mit Reisen in osteuropäische Staaten zu entkräften. Und er inszenierte sich als Kandidat „der Menschen“, während Van der Bellen das „Establishment“ vertrete. Der Lagerwahlkampf gipfelte in Schmutzkübelkampagnen auf der „Stellvertreterebene“. So rückte die FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel Van der Bellens Eltern ins Nazi-Eck, während der Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner mit einem düsteren Video vor einem unter Hofer drohenden Öxit warnte.

Umfragen lassen keinen Favoriten erkennen

Nach dem Prognosen-Debakel beim ersten Wahlgang zeigten sich die Meinungsforscher vor beiden Stichwahlen zurückhaltend. Die wenigen in den vergangenen Wochen veröffentlichten Umfragen lassen keinen Favoriten erkennen - der Abstand zwischen den beiden Kandidaten lag in allen Erhebungen im Rahmen der statistischen Schwankungsbreite. "Auf jeden Fall" wird nach Ansicht von OGM-Chef Wolfgang Bachmayer die Wahlbeteiligung sinken. Schuld daran seien der lange Wahlkampf und der Termin mitten im Advent.

Sollte die Wahl nicht wieder angefochten werden, hat die seit Juli verwaiste Hofburg ab dem 26. Jänner einen neuen Hausherren. Auf die traditionelle Silvesteransprache des Bundespräsidenten werden die Österreicher also heuer so oder so verzichten müssen.

Der Wahltag auf diepresse.com

Auf diepresse.com berichten wir ab dem frühen Wahl-Nachmittag live. Mit einem WhatsApp-Service sowie über unsere Social-Media-Kanäle erhalten Sie alle Informationen in Sekundenschnelle - von der ersten Hochrechnung bis zum Endergebnis.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

NATIONALRAT: PILZ
Innenpolitik

Peter Pilz: "Kern-Dogma ist eine Dummheit"

Der grüne Abgeordnete Peter Pilz über die Lehren aus der Bundespräsidentenwahl und warum Christian Kerns Kuschelkurs gegenüber den Freiheitlichen den Grünen hilft.
Die Grünen auf ureigenem ÖVP-Terrain: Alexander Van der Bellen inszenierte sich als „Präsident der Mitte“. Und diese stimmte für ihn. Ein kleiner Paradigmenwechsel.
New Articles

Wie die Grünen die Mitte besetzten

Linke, Liberale und moderate Konservative rückten zusammen. Die grüne Partei ging vor allem Letzteren entgegen. ÖVP-Wähler zu gewinnen war das eigentliche Ziel der Kampagne.
Kommentare

Warum die Wahlaufhebung gut war

Der Sieger blieb derselbe. Und auf die Wahlgesetze achtet man künftig genau.
Symbolbild: Dominoeffekt
Europa

"Der Dominostein Österreich blieb stehen"

Van der Bellens Sieg bei der Bundespräsidentenwahl habe in Europa einen "Seufzer der Erleichterung" ausgelöst, kommentieren internationale Medien. Allerdings: Zu viel Euphorie sollte nicht aufkommen.
Van der Bellen feiert seinen Sieg
Politik

Van der Bellen: "Sollten am Teppich bleiben"

Der neue Bundespräsident hofft, dass die Stichwahl diesmal nicht angefochten wird: "Aber wir müssen abwarten". Ein knappes Wahlergebnis sei jedenfalls nichts Ungewöhnliches.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.