Als das Establishment Hautevolee hieß

Regelwidrig ausgezählt, dann schlecht zugepickt. Die Wahlkarte spielte die Hauptrolle neben den Kandidaten.
Regelwidrig ausgezählt, dann schlecht zugepickt. Die Wahlkarte spielte die Hauptrolle neben den Kandidaten.APA (HERBERT NEUBAUER)
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Es war der längste Wahlkampf in der österreichischen Geschichte – mit zahlreichen Eigenheiten. Welche Begriffe diese Auseinandersetzung um das höchste Amt im Staate prägten.

Den Anfang machte Irmgard Griss. Die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshof gab am 17. Dezember 2015 via Facebook und YouTube ihre Kandidatur für die Bundespräsidentschaft bekannt. Am 8. Jänner zog der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen nach. Die FPÖ ließ sich noch ein wenig Zeit. Sie musste Norbert Hofer, den Dritten Nationalratspräsidenten, erst überreden. Am 28. Jänner war aber auch er so weit. Ein Jahr Wahlkampf also. Ein Jahr, das von bestimmten Begriffen begleitet und von diesen geprägt wurde. Eine kleine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Establishment

Vor der ersten Stichwahl hieß das Establishment noch Hautevolee. Oder Schickeria. Jedenfalls in der Wortwahl der FPÖ. Gemeint waren jene Eliten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die sich hinter Alexander Van der Bellen versammelt hatten. Da sich im Lager Norbert Hofers kaum prominente Namen fanden, machte die FPÖ aus der Not eine Tugend: Norbert Hofer – als Dritter Nationalratspräsident eigentlich auch Teil der politischen Elite – wurde als Kandidat des einfaches Volkes positioniert. Im Fall von Donald Trump hat das funktioniert. Weswegen dann auch die Diktion aus den USA übernommen wurde: das englische „Establishment“ ersetzte die französische „Hautevolee“ beziehungsweise die hiesige „Schickeria“, eine Kreation, die dem Schriftsteller Gregor von Rezzori zugeschrieben wird.

Heimat

Auch eine der Pointen dieses Wahlkampfs: Ausgerechnet die polyglotten Grünen setzten von Anfang bis Ende des Wahlkampfs auf Heimatsujets. Der urbane Intellektuelle Alexander Van der Bellen entdeckte auf einmal seine ländlichen Wurzeln wieder. Er wanderte medienwirksam auf die heimatliche Alm, zog sich eine Tracht an, besuchte Volksfeste sonder Zahl. Nach der ersten Stichwahl verstärkte sich das noch. Denn die Analyse aus der ersten Stichwahl war offensichtlich: Links der Mitte räumte Van der Bellen sowieso alles ab. Also galt es, ÖVP-Wähler zu gewinnen. Diese hatten sich in der ersten Stichwahl annähernd 50:50 auf Van der Bellen und Hofer aufgeteilt.

Gott

Auch Gott feierte ein Comeback in der Politik. Zumindest auf den Plakaten von Norbert Hofer. „So wahr mir Gott helfe“ ließ er darauf drucken. Ein Zusatz zur Angelobungsformel, den bisher die Bundespräsidentschaftskandidaten der ÖVP verwendet hatten. Und der unabhängige, von der SPÖ nominierte, aber tiefgläubige Rudolf Kirchschläger. Ein bewusstes Signal an den konservativeren Teil der ÖVP-Wähler und an jene, die sich angesichts des erstarkenden Islam wieder auf ihre christliche Herkunft besinnen.

Kreide

„Wolf im Schafspelz“ war die gängigste Zuschreibung vonseiten seiner politischen Gegner – und da durfte auch die Kreide nicht fehlen. Norbert Hofer kam aus dieser Nummer nicht mehr heraus. Und er unterfütterte sie mitunter auch selbst. Galt er zu Beginn des Wahlkampfs als der sanfte Freiheitliche, das freundliche Gesicht der Strache-Partei, so drehte er den Ton auf Wahlveranstaltungen und in TV-Duellen schon auch auf, um den eigenen Anhängern zu geben, was sie gewohnt sind. Sein „Sie werden sich noch wundern, was alles gehen wird“, bereute er jedoch.

Öxit

Wer Brexit sagt, muss auch Öxit sagen. So dachten die Van-der-Bellen-Kampagnenmacher, dass die FPÖ denkt. Und in der Tat gab Norbert Hofer kurz nach dem Referendum in Großbritannien der Zeitung „Österreich“ ein Interview, in dem er einen möglichen EU-Austritt Österreichs nicht ausschließen wollte. Noch in derselben Woche kratzte Hofer jedoch die Kurve und legte sich in der „Presse“ auf ein „Nein zum Öxit“ fest. Das hinderte den Unternehmer Hans Peter Haselsteiner nicht daran, den Öxit Wochen später zum Thema einer aggressiven Kampagne zu machen („Kommt Hofer. Kommt Öxit. Kommt Pleitewelle“). Nach der durch die Terminverschiebung bedingten Wahlkampfpause setzte er diese Kampagne unbeirrt, wenngleich nicht mehr so martialisch fort.

St.-Georgs-Orden

Bisher einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt, machte der St.-Georgs-Orden 2016 medial Karriere. Weil Norbert Hofer Mitglied in diesem konservativen Zirkel des Hauses Habsburg-Lothringen ist. Und von diesem nun auch unterstützt wird: Da Hofer die Auffassung vertrete, dass eine stärkere Zusammenarbeit der Länder Mitteleuropas die einzige Chance sei, sich verstärkt in die europäische Politik im Hinblick auf eine EU-Reform einzubringen, wie es auf der Website heißt. Erhard Busek trat aus Protest aus.

Wahlkarte

Regelwidrig ausgezählt, dann schlecht zugepickt. Die Wahlkarte spielte die Hauptrolle neben den Kandidaten.

Zahlen

6.382.507Österreicherinnen und Österreicher waren bei den ersten beiden Wahlgängen wahlberechtigt.

6.399.572
Wahlberechtigte gibt es nun hingegen bei der Wiederholung. Etwas mehr als die Hälfte (3,3 Millionen) sind Frauen.

Am 26. Jänner 2017
wird der neue Bundespräsident angelobt. Das ehemalige Staatsoberhaupt, Heinz Fischer, beendete seine Amtsperiode am 8. Juli 2016.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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