Vergleich: Wehrpflicht oder Berufsheer?

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Was kann ein Berufsheer? Was bringt die Wehrpflicht? Ein Überblick mit den offiziellen Zahlen zu den Modellen – und was dahintersteckt.

Wehrpflicht

2 Mrd. Euro Budget:
Das Verteidigungsbudget ist mit 0,7 Prozent des BIPs im Vergleich mit anderen Ländern am unteren Ende angesiedelt. Mehr wird es auch in den kommenden Jahren nicht werden. Aufgrund der automatischen Gehaltssteigerungen droht in den kommenden Jahren der Finanzkollaps, einschneidende Maßnahmen werden also auch bei Beibehaltung des bestehenden Systems notwendig sein. Sonst erhöht sich der Anteil der Personalkosten in den nächsten zehn Jahren von derzeit 55 auf 73 Prozent. Die ÖVP will die Wehrpflicht auch reformieren und eine eigene Truppe für die Katastrophenhilfe aufstellen. Ein Modell dafür hat sie allerdings nicht vorgelegt. Klar ist, dass weiterhin hohes Augenmerk auf Auslandseinsätze gelegt wird. 1400 Soldaten sind derzeit international im Einsatz.

25.400 Soldaten:
12.700 Offiziere und Unteroffiziere sind derzeit beim Heer beschäftigt, dazu kommen 1700 Zeitsoldaten und 11.000 Präsenzdiener. Letztere sollten für die militärische Tätigkeit ausgebildet werden, was aber nur zum Teil passiert. 55 Prozent, also mehr als die Hälfte der Grundwehrdiener, werden als „Systemerhalter“ eingesetzt, das sind beispielsweise Köche, Kellner oder Chauffeure. In Zukunft wird es deutlich weniger Präsenzdiener geben. Nicht nur, weil sich immer mehr für den Zivildienst entscheiden, sondern auch, weil geburtenschwache Jahrgänge zur Einberufung anstehen.

12.000 Katastrophenschutz:
Die Österreicher lieben ihr Bundesheer nicht so sehr, weil es die militärische Sicherheit garantiert, sondern, weil es bisher bei Naturkatastrophen effizient geholfen hat. Bis zu 12.000 Soldaten stehen dafür zur Verfügung, wobei zu einem großen Teil Grundwehrdiener eingesetzt werden. Ein einziges Mal wurde bisher tatsächlich die gesamte Stärke von 12.000 Mann benötigt, nämlich beim Donauhochwasser im Jahr 2002. Ebenfalls hohe Mannstärken sind bei polizeilichen Assistenzeinsätzen notwendig. So hat das Bundesheer jahrelang die Ostgrenze bewacht.

26.700 Milizsoldaten:
Seit der Abschaffung der verpflichtenden Milizübungen unter Minister Platter besteht die Miliz großteils nur noch auf dem Papier. Übungen werden, da die Teilnahme freiwillig ist, nur noch vom Kader durchgeführt, also von den Offizieren und Unteroffizieren. Dass eine nicht übende Miliz im Ernstfall einsatzbereit ist, wird von vielen bezweifelt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern: Auch die ÖVP hat schon angekündigt, im Falle eines Weiterbestehens der Wehrpflicht bei sechs Monaten Grundwehrdienst bleiben zu wollen. Die Übungen werden nicht wieder eingeführt.

13.510 Zivildiener:
So viele junge Männer haben sich im Jahr 2011 für den Zivildienst entschieden – im Vergleich zum Debütjahr 1975 ein Rekordwert, damals gab es nur 344 Zivildiener. Unter den Tauglichen entscheiden sich immer mehr Burschen gegen den Dienst mit der Waffe (zuletzt waren es 36 Prozent). Doch durch die geburtenschwachen Jahrgänge dürfte die Anzahl der Zivildiener in den nächsten Jahren trotzdem wieder zurückgehen. Die mit Abstand meisten Zivildiener beschäftigt das Rote Kreuz mit etwa 4000, dahinter folgen Arbeitersamariterbund, Lebenshilfe und Caritas.

Berufsheer

2 Mrd. Euro Budget:
Auch einem Berufsheer wird nicht mehr Geld zur Verfügung stehen als dem bisherigen Wehrpflichtigenheer. Mehr Geld sei auch nicht notwendig, glaubt Verteidigungsminister Norbert Darabos. Er setzt darauf, durch die Abschaffung der Wehrpflicht Mittel umschaufeln zu können. Immerhin koste die Wehrpflicht auch 400 Millionen Euro im Jahr. Laut Darabos wird es in seinem Berufsheermodell sogar größere Spielräume geben, weil Teile des derzeitigen Berufskaders durch billigere Zeitsoldaten ersetzt werden. Der Haken bei der Sache: Experten rechnen mit hohen Umstellungskosten, weil der derzeitige Kader ja weiterbeschäftigt werden muss. Diese scheinen aber nirgends auf. Auch die Frage, wer die Systemerhalterfunktionen der Grundwehrdiener übernimmt, ist offen.

15.500 Berufssoldaten:
Der größte Umbruch passiert beim Personal: Nur noch 8500 Offiziere und Unteroffiziere bleiben ein ganzes Berufsleben beim Heer. Dazu kommen 7000 Zeitsoldaten, die sich für drei bis neun Jahre verpflichten. Umstritten ist die Frage, ob sich genügend Zeitsoldaten finden werden. Kritiker warnen, dass sich nur „Rambos“ und schlecht Qualifizierte melden werden, die auf dem Arbeitsmarkt unvermittelbar sind. Minister Darabos kontert mit Studien: 84.000 junge Österreicher seien prinzipiell interessiert – und das angebotene Gehalt von 1400 Euro plus Auslandsprämie sei attraktiv genug.

13.700 Katastrophenschutz:
Alle Soldaten des Berufsheers, die nicht gerade im Auslandseinsatz sind, stehen für Katastrophenhilfe zur Verfügung – so zumindest das Konzept des Ministeriums. Dazu komme bei länger dauernden Einsätzen noch die Profimiliz. Teil der Hilfstruppe seien die 2400 Pioniere. Hier setzt die Kritik ein: Da im Berufsheer die Präsenzdiener sofort wegfielen, müssten diese Kräfte erst langsam neu aufgebaut werden. Zumindest fünf Jahre lang werde man wichtige Einsätze nicht machen können.

9500 Milizsoldaten:
Neu im Berufsheermodell ist eine freiwillige „Profimiliz“. Wer sich dafür meldet, muss eine sechsmonatige Basisausbildung machen und erhält eine jährliche Prämie von 5000 Euro plus eine Abgeltung für die zwei- bis dreiwöchige Übungstätigkeit sowie für eventuelle Einsätze. Vorgesehen ist ein zehn Jahre andauernder Verbleib in der Miliz. Dazu kommt noch eine „beorderte Miliz“ in der Stärke von 23.000 Soldaten. Diese wird aus ehemaligen Zeitsoldaten gebildet und ist für Notfälle vorgesehen. Übungen sind für diese Gruppe allerdings keine mehr vorgesehen.

8000 Freiwillige:
So viele Plätze sieht Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) für sein Freiwilliges Sozialjahr vor. Es soll allen EU-Bürgern ab 18 Jahren offen stehen, Pensionsbezieher ausgenommen. Dafür werden sie 14-mal im Jahr mit 1386 Euro brutto entlohnt. Die Kosten werden auf 211 Millionen Euro im Jahr geschätzt, abgewickelt werden sollte das Sozialjahr über die schon bestehende Zivildienstagentur. Gegner des Modells kritisieren, dass dadurch die ehrenamtliche Arbeit an Stellenwert verlieren würde – da es bezahlte und unbezahlte Freiwillige geben würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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