Warnung vor Berufsheer: "Katastrophenschutz fünf Jahre lang nicht machbar"

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Generalstabschef Entacher warnt im Interview vor Übergangsproblemen zu einem Berufsheer und einer auf Dauer schlechteren Struktur des Heeres.

Die Presse: Das derzeitige Bundesheer und die Wehrpflicht haben Schwächen. Warum kämpfen Sie trotzdem so vehement um die Beibehaltung?

Edmund Entacher: Wir haben ein Mischsystem, das sich in seinen einzelnen Komponenten ideal ergänzt. Wir können jederzeit unsere Aufgaben erfüllen und relativ leicht die Truppenstärken hinauf- und hinunterfahren. Wir sind sehr leistungsfähig bei Auslandseinsätzen. Das ganze Jahr über 1400 Soldaten im Ausland sind sehr viel für ein kleines Land. Und wir können jederzeit hohe Mannschaftsstärken aufbringen, wie wir sie bei Katastrophen und bei sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätzen brauchen.

Es kann alles so bleiben, wie es ist?

Nein, man muss den Grundwehrdienst neu gestalten. Wir haben eine zu hohe Anzahl an Systemerhaltern. Das lässt sich aber besser gestalten – relativ einfach sogar durch ein deutliches Verringern der Einrückungstermine von elf auf vier oder fünf. Man braucht bei jeder Einrückung ein Kontingent an Funktionssoldaten, also Systemerhaltern. Das lässt sich reduzieren.

Derzeit sind rund 55 Prozent der Präsenzdiener Systemerhalter. Um wie viele werden es weniger?

Um einige tausend. Wie viele es jetzt gibt, hängt sehr von der Zählart ab. Ein Lkw-Fahrer bei den Pionieren wird als Systemerhalter gezählt. Das ist aber ein Unsinn, den brauche ich ja für den Einsatz.

Warum haben Sie die Reduktion der Einrückungstermine nicht schon längst gemacht?

Als der Grundwehrdienst auf sechs Monate reduziert wurde, haben wir versucht, für alle Truppen- und Waffengattungen durchgehende Präsenz zu erzeugen. Das ist aber nicht notwendig. Ganzjährig präsent sein müssen die Luftraumüberwachung, die Pioniere und die ABC-Abwehrtruppe.

Das allein wird aber nicht reichen für einen attraktiveren Grundwehrdienst.

Das stimmt. Die Ausbildung ist viel zu technokratisch geworden. Man hat nicht mehr bedacht, dass da die Emotion dabei sein muss. Man muss den jungen Männern das Gefühl geben, sie machen etwas Sinnvolles. Das geht ohne höheres Budget. Zum Beispiel: Wenn man die Sanitätsausbildung so weit treibt, dass sich jeder wirklich an die Verletzten herantraut, wäre das eine ganz nützliche Sache. Oder ein anderes Feld: orientieren. Jeder soll eine Karte lesen und Entfernungen abschätzen können. Da gibt es einige Möglichkeiten, die Ausbildung anzureichern in Richtung mehr Erlebnis.

Das Bundesheer als Abenteuerurlaub?

Urlaub kann es natürlich nicht sein. Aber warum gibt es solche Abenteuerurlaube? Modernen Menschen tut das Erlebnis gut.

Was passiert eigentlich Schlimmes, wenn die Befragung pro Berufsheer ausgeht?

Wenn wir die Einrückungen einstellen, fehlen auf einen Schlag 11.000 Rekruten. Bis zur Entfaltung des Berufsheers dauert es mindestens zehn Jahre – wenn das Potenzial überhaupt da ist, was ich bezweifle. Bei den Pionieren würden wir mit einem Schlag Fähigkeiten verlieren, der Katastrophenschutz wäre in der derzeitigen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten. Maschinen können wir schon stellen, aber alles, was an Mannschaftsleistungen verlangt wird, wie Brückenbau oder Wasseraufbereitungsanlagen, ist zumindest fünf Jahre lang nicht machbar.

Es gibt also ein Übergangsproblem?

Nicht nur. Am Ende stünde eine Struktur, die in allen Komponenten schwächer ist als die jetzige. Es wird dann weniger Berufssoldaten geben und deutlich weniger Zeitsoldaten, als wir jetzt Rekruten haben.

Lässt sich das Berufsheer mit dem bestehenden Budget machen?

Es gibt nicht mehr Geld, also muss es damit machbar sein. Das heißt aber, man muss für Dinge, die jetzt schon erkennbar sind, den Personalaufwand erhöhen. Zum Beispiel für die neu aufgenommenen Zeitsoldaten – ich muss ja den Überhang aus dem alten System weiter bezahlen. Oder für die Prämien an die Miliz. Das muss aus dem Sachaufwand kommen. Der ist aber jetzt schon minimal, daher bleibt dann nur noch eine weitere Verkleinerung der Struktur.

Wie lange bleiben Sie noch Generalstabschef? Hängt das vom Ausgang der Volksbefragung ab?

Nein. Ich bin vertragstreu, ich erfülle meinen Vertrag, der noch bis zum 2. April läuft. Das heißt, ich gehe Ende März oder Ende April in Pension.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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