"Die Wehrpflicht ist absurd": Wenn die "Krone" mobil macht

(c) Apa (Harald Schneider)
  • Drucken

Die "Kronen Zeitung" kampagnisiert wie in alten Zeiten. In die Heeresdebatte schaltete sich Österreichs auflagenstärkste Zeitung spät ein - dafür aber umso deutlicher.

Wien. Was kommt nach Hans Dichand?, fragten sich Politiker und Journalisten nach dem Tod des „Kronen Zeitung“-Herausgebers im Juni 2010. Wird das mächtige Kleinformat fortan milder? Politisch korrekter? Einige Kommentatoren schrieben (oder sehnten) in den Wochen danach schon eine kleine Revolution in der Redaktion herbei: Die „Krone“ sei auf dem besten Weg, ein ganz normales Boulevardblatt zu werden.

Lange hielt diese Erkenntnis der Realität jedoch nicht stand. Wie sehr sich Dichands Erben der alten Kampagnentradition verpflichtet fühlen, wird anhand der Wehrpflichtdebatte einmal mehr deutlich: „Beim Heer muss sich viel ändern“, titelte die „Krone“ vor drei Wochen, am 21.Dezember, verhältnismäßig zurückhaltend – um im Blattinneren Position für ein Berufsheer und gegen die Wehrpflicht („Zwang“) zu beziehen. Eindeutiger war die Botschaft neun Tage später: „Die Wehrpflicht ist absurd.“ Als Argumentation diente – immerhin – ein Rechenbeispiel des früheren FPÖ-Verteidigungsministers Friedhelm Frischenschlager.

Die vorläufig letzte Schlagzeile zum Thema – „Wehrpflicht ein Auslaufmodell“ – produzierte die „Krone“ am vergangenen Sonntag, gefolgt von einem Bericht über ein Geheimpapier der Industriellenvereinigung, das in seiner Berufsheertendenz der ÖVP zum Schaden gereichen werde. Dass diese geheime Industrie-Expertise seit Wochen in SPÖ-Kreisen kursiert, tat diesbezüglich nichts zur Sache. Daneben bekam Hannes Androsch, Vorsitzender des Berufsheer-Komitees, reichlich Platz für einen Gastkommentar. Den zweiten Teil durfte der Ex-Vizekanzler dann gestern, Montag, publizieren.

Volksbefragung – dank „Krone“

Dabei hatte sich Österreichs auflagenstärkste Zeitung lange zurückgehalten – was nicht nur die ÖVP-Spitze verwunderte. Denn die „Krone“ ist der eigentliche Urheber dieser Heeres-Volksbefragung. Im Herbst 2010, nach wochenlanger Stimmungsmache, hatte sie schließlich auch den wahlkämpfenden Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, von einem Berufsheer überzeugt – und damit die gesamte SPÖ. Kanzler Werner Faymann, ein alter Freund des Hauses, knickte als Nächster ein. Widerwillig musste auch Verteidigungsminister Norbert Darabos, bis dahin ein Wehrpflichtverfechter, klein beigeben.

Kampagnenfähigkeit und (politische) Mobilisierung hielt Hans Dichand zeitlebens für das Erfolgsgeheimnis der „Kronen Zeitung“. Eine der ersten Kampagnen war jene für die Rettung des Wiener Sternwarteparks im 18.Bezirk. Bürgermeister Felix Slavik musste in der Folge zurücktreten. Seinen größten Triumph feierte Dichand, als er das Kraftwerk in der Hainburger Au verhinderte.

Doch der Mobilmache war nicht immer Erfolg beschieden: Die Eurofighter wurden gegen Dichands Willen angeschafft. Bisweilen wechselte die „Krone“ auch ihre Kampagnenlinie: Vor der Volksabstimmung im Jahr 1994 sprach sie sich für einen EU-Betritt Österreichs aus und leistete damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für den Ausgang (66 Prozent stimmten dafür). Später wandte sich Dichand immer mehr gegen Brüssel und führte am Ende einen erbitterten Feldzug, der in einer Kampagne gegen den Vertrag von Lissabon gipfelte.

Skurril war die Haltung der „Krone“ beim Semmeringtunnel: In der Niederösterreich-Ausgabe war sie dagegen, in der steirischen dafür. Dahinter verbarg sich kein ausgeklügeltes System. Dichand vertraute stets seinem „Gespür“ für den kleinen Mann, das sich auch aus den Leserbriefen speiste, denen er sich persönlich widmete.

Die Politik betrachtete der Herausgeber als Mittel zum Zweck. Wer Dichands Positionen öffentlich unterstützte, war in der Zeitung wohlgelitten – Bruno Kreisky etwa oder Erwin Pröll. Wer die „Krone“ ignorierte, erwarb sich eine lebenslange Feindschaft, der Dichand teils hemmungslos frönte. Wolfgang Schüssel zeigte im Jahr 2002, dass man trotzdem eine Wahl gewinnen kann.

Werner Faymann musste dem Vernehmen nach nicht lange überlegen – er ist der „Kronen Zeitung“ seit seiner Zeit in der Wiener Stadtregierung eng verbunden. 2008 verhalf ihm das Blatt ins Kanzleramt. Es war Dichands letzte Kampagne im großen Stil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.