SPÖ und ÖVP alleine können die Wehrpflicht nicht aussetzen

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Nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat wäre es möglich, die Wehrpflicht zu beseitigen. Dazu benötigt man die Hilfe der Opposition - oder juristische Kunstgriffe, um Wehrpflichtige vom Dienst zu befreien.

Wien. Rot und Schwarz versprechen, die Wehrpflicht zu beseitigen, sollte das Volk das wollen. Doch rechtlich wird das nicht so einfach. Denn SPÖ und ÖVP fehlt die nötige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, um die Wehrpflicht aus der Verfassung zu streichen. Verteidigungsminister Norbert Darabos denkt deswegen daran, die Wehrpflicht (wie in Deutschland) bloß auszusetzen und dies mit der einfachen Mehrheit im Nationalrat zu erledigen. Doch im Gegensatz zum deutschen Nachbarn lässt das unsere Gesetzeslage nicht zu.

Denn die deutsche Verfassung erlaubt es dem Staat bloß, Bürger zum Wehrdienst einzuziehen. In der österreichischen Verfassung sei hingegen eine Pflicht der (männlichen) Bürger zum Wehrdienst verankert, betont Verfassungsjurist Theo Öhlinger. Und diese Pflicht könne man nicht einfach aussetzen, da müsse man schon die Verfassung ändern, meint der Jurist im Gespräch mit der „Presse“. Eine Meinung, die auch andere führende Staatsrechtler wie Heinz Mayer, Bernd-Christian Funk oder der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, teilen.

Politisch wäre die Sache zu lösen, indem genügend Abgeordnete der Opposition bei einem Verfassungsgesetz mitstimmen. Die FPÖ, die für die Wehrpflicht ist, scheidet hier aus. Anbieten würden sich für eine Zweidrittelmehrheit aber die Grünen, die für ein Berufsheer sind. Auch BZÖ und Liste Stronach (diesfalls aber nur gemeinsam) könnten der rot-schwarzen Koalition genügend Stimmen für ein Verfassungsgesetz beisteuern. Doch was, wenn der Beschluss für das Berufsheer scheitert, weil man sich bei Details uneinig ist?

Wehrpflichtige einzeln freistellen?

Dann könnte man höchstens mit juristischen Kunstgriffen versuchen, Bürger von der Wehrpflicht zu befreien. So müsste zwar weiterhin jeder Mann zur Stellung. Per Bescheid könnte man nachher aber auch taugliche Männer vom Wehrdienst befreien, sagt der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer. Das Wehrgesetz ermöglicht diese Befreiung von Amts wegen, „wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern“. Und ein öffentliches Interesse, könnte das Verteidigungsministerium zu argumentieren versuchen – etwa, weil es keine militärische Notwendigkeit gibt und die Männer am Arbeitsmarkt sinnvoller eingesetzt sind. Für jeden Wehrpflichtigen müsste aber individuell ein Bescheid, der ihn vom Dienst befreit, erlassen werden.

Bei Zivildienern wäre es komplizierter, weil man hier laut Gesetz nicht mit dem öffentlichen Interesse argumentieren kann. Wenn man aber neben dem Zivildienst viele Anwärter für ein freiwilliges soziales Jahr findet, könnte man sagen, es gibt keine Plätze für Zivildiener. Und sie einfach nie einer Einrichtung zuteilen.

Doch man würde nie alle Grundwehrdiener per Bescheid vom Dienst befreien können, solange es eine Wehrpflicht gibt. Das wäre Amtsmissbrauch, meint Mayer. Man könnte aber nur eine kleinere Gruppe einziehen, etwa nur jene, die bei der Stellung am besten abschnitten. Jedenfalls müsse man sachlich argumentieren können, warum man jemanden einziehe und den anderen nicht.

Einfaches Gesetz nur für ein Jahr

Nur kurzfristig – ein halbes oder maximal ein Jahr – könnte man die Wehrpflicht mit einfachem Gesetz auch für alle aussetzen, sagt Öhlinger. Das Parlament müsste dies damit argumentieren, dass man Zeit brauche, um das Verfassungsgesetz zu fixieren und die Übergangsphase mit dem einfachen Gesetz bestreiten.

Durch die Wahl im Herbst könnten sich zwar die Mehrheiten im Nationalrat ändern. Umfragen zufolge werden SPÖ und ÖVP aber dann noch weiter von einer Verfassungsmehrheit entfernt sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)


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