Das Bundesheer als Integrations-Camp?

Bundesheer IntegrationsCamp
Bundesheer IntegrationsCamp(c) Dapd (Hans Punz)
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Der Anteil der Zuwanderer an den Grundwehrdienern ist gering. Experten sehen dennoch eine integrative Wirkung. Kritik gibt es am "unredlichen" Wahlkampf der ÖVP.

Wien. Üblicherweise ist es die SPÖ, die die Pflicht zur Gemeinsamkeit – etwa bei ihrem Modell der Gesamtschule – stets auch mit der Integration von Migranten argumentiert. In der Debatte um die Wehrpflicht hat die ÖVP diese Rolle übernommen: Sie warb zuletzt verstärkt mit einem angeblichen „Integrationseffekt“ der Wehrpflicht. Das Problem: Mit Zahlen und Daten lässt sich die Behauptung nicht belegen.

Die Schuld daran trage – so der Vorwurf der ÖVP – das SPÖ-geführte Verteidigungsministerium: Norbert Darabos halte eine Studie, die die positiven Effekte belege, seit Monaten zurück, weil das Ergebnis nicht seiner Position entspreche. Im Ministerium selbst will man von der Existenz der Studie nichts wissen.

Die Frage freilich bleibt: Kann der Präsenzdienst der Integration von Zuwanderern in die Gesellschaft dienlich sein?

Die integrative Kraft des Bundesheeres wird allein schon durch die rechtlichen Rahmenbedingungen eingeschränkt. Den Präsenzdienst müssen nur jene Zuwanderer leisten, die über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Und das tun – zumindest unter den Migranten der ersten Generation – nur wenige.

Von den rund 6500 18-jährigen männlichen Migranten, die selbst im Ausland geboren sind, haben nur 1300 die österreichische Staatsbürgerschaft. In diesem Alter können somit nicht einmal 20 Prozent der männlichen Migranten eingezogen werden. Auch die offiziellen Zahlen des Verteidigungsministeriums sprechen eine klare Sprache: Von rund 11.000 Grundwehrdienern, die mit Stichtag 19.Dezember beim Heer ihren Dienst ableisteten, sind lediglich 439 nicht in Österreich geboren.

Zahlen dazu, wie viele Migranten zweiter Generation – das sind jene, die selbst in Österreich geboren sind, deren Eltern jedoch aus dem Ausland kommen – den Grundwehrdienst ableisten, gibt es nicht. Nach Schätzungen des Verteidigungsministeriums dürften jedoch insgesamt rund 4000 Migranten jährlich zum Präsenzdienst eingezogen werden. Generell gibt es jedes Jahr rund 25.000 Präsenzdiener.

„Die ÖVP ist unglaubwürdig“

Dass die allgemeine Wehrpflicht dennoch integrative Wirkung haben kann, glaubt indes Integrationsforscher Kenan Güngör, Leiter der Wiener Zweigstelle des Instituts „Think Difference“. Es könne für Migranten eine „starke symbolisch-identifikative Kraft haben“, wenn sie für hoheitsstaatliche Aufgaben herangezogen werden, von denen man die Migranten früher „eher fernhalten wollte“, so Güngör. Dieser Trend habe sich nicht zuletzt bei der Polizei gezeigt, die seit einiger Zeit verstärkt um Migranten wirbt: „Wer erwählt wird, das Land zu schützen, der nimmt es eher als das eigene Land an.“

Doch auch auf die Mehrheitsgesellschaft, so Güngör, hätten die Migranten beim Heer und im Zivildienst eine starke Wirkung: „Die Menschen sehen, dass es sich nicht nur um Gäste oder gar um Fremde handelt. Sie sehen, dass es sich bei den Migranten um Mitbürger handelt, die sich ebenfalls für Österreich einsetzen.“

Kritik übt Güngör daran, dass sich die ÖVP mit diesem Argument schmückt: „Es ist unredlich, dass ausgerechnet jene Partei, die sich sonst für eines der strengsten Zuwanderungsgesetze Europas rühmt, nun mit Integration wirbt.“ Die ÖVP sei damit unglaubwürdig: „Man kann nicht erwarten, dass jene Menschen, die man eigentlich nicht im Land haben will, plötzlich die eigene Fahne hochhalten sollen.“ Die Integration werde in der Debatte generell überstrapaziert: „Derzeit wird jedes nur greifbare Argument künstlich herangezerrt, nur um in der Materialschlacht gegen den politischen Gegner zu bestehen“, sagt Güngör.

Übrigens: Laut Integrationsbericht 2012 fühlen sich rund 41 Prozent der männlichen Migranten nicht Österreich, sondern eher ihrem Herkunftsland zugehörig. Besonders schwer fällt es Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, sich mit Österreich zu identifizieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2013)


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