Abfuhr für Darabos: Österreicher stimmen für Wehrpflicht

Wehrpflicht; Bundesheer; Berufsheer; Volksbefragung
Wehrpflicht; Bundesheer; Berufsheer; Volksbefragung(c) APA ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Volksbefragung: 60 Prozent haben sich für die von der ÖVP beworbene Beibehaltung von Wehrpflicht samt Zivildienst entschieden - und damit gegen das rote Berufsheer-Modell. Ältere und Männer setzten sich durch. Minister Darabos betont: "Ich bleibe im Amt."

„Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig." So wird es auch künftig in der Bundesverfassung stehen. Die Österreicher haben bei der Volksbefragung am Sonntag einem Berufsheer eine deutliche Absage erteilt. Laut dem vorläufigem Endergebnis stimmten 60 Prozent für die Beibehaltung von Wehrpflicht und Zivildienst, 40 Prozent für die Einführung eines Berufsheeres und eines freiwilligen Sozialjahres.

Die Beteiligung an der ersten bundesweiten Volksbefragung der Republik war höher als im Vorfeld befürchtet: 49 Prozent der Wahlberechtigten entschieden über die Zukunft des Bundesheeres mit.

Eine SORA-Wählerstromanalyse zeigt: Der ÖVP gelang es am besten, ihre Wähler zu mobilisieren und von ihrer Pro-Wehrpflicht-Linie zu überzeugen. 86 Prozent ihrer Wähler des Jahres 2008 nahmen an der Volksbefragung teil, 80 Prozent davon stimmten für die Wehrpflicht. Von den SPÖ-Wählern gingen hingegen nur 68 Prozent zu den Urnen, und davon entschieden sich nur 63 Prozent für das von der Partei beworbene Berufsheer.

Die Wahltagsbefragung ergab auch, dass sich die Älteren und die Männer bei der Befragung durchgesetzt haben. 16- bis 29-Jährige stimmten zu 63 Prozent für ein Berufsheer. Bei den über 60-Jährigen waren es nur 29 Prozent. Männer waren zu 64 Prozent für die Wehrpflicht, Frauen nur zu 55 Prozent. Wer für die Wehrpflicht stimmte, tat das vor allem, um den Zivildienst zu erhalten. Die Berufsheer-Befürworter sagten in der SORA-Befragung mehrheitlich, dass der Präsenzdienst junge Männer unnötig Zeit koste.

--> Die SORA-Befragungen im Detail

Anders als alle anderen Bundesländer stimmte übrigens Wien ab: Hier waren 54,2 Prozent für ein Berufsheer. Am anderen Ende Österreichs findet sich das Land mit der stärksten Wehrpflicht-Unterstützung: Vorarlberg mit 66,4 Prozent.

--> Alle Ergebnisse der Bezirke und Gemeinden

ÖVP: Wehrpflicht-Reform bis zum Sommer

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Das bundesweite Votum für die Wehrpflicht fällt noch deutlicher aus, als es die letzten Umfragen vermuten ließen. Die ÖVP kann sich damit über einen Triumph in der Werbe-Schlacht der Koalitionsparteien um das Bundesheer freuen. Generalsekretär Hannes Rauch lobte das Ergebnis als "Entscheidung für Sicherheit und gegen ein teures Experiment".

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Seit Wochen hatte die Volkspartei davor gewarnt, dass ohne Grundwehrdiener die Opfer von Naturkatastrophen leiden und ohne Zivildiener die Rettung zu spät kommen würde. Die Volkspartei will die Wehrpflicht nun reformieren und die Zahl der „Systemerhalter" reduzieren. Ein konkretes Konzept dafür hat sie aber noch nicht vorgelegt. VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderte am Abend der Befragung im Interview mit der "Presse", die Reform müsse bis zum Sommer unter Dach und Fach sein. Den Zivildienst will sie auf freiwilliger Basis für Frauen öffnen. Schon am Montag will Mikl-Leitner Gespräche mit der SPÖ beginnen.

Großer Verlierer der Befragung ist SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos, der wochenlang durch das Land tingelte, um für sein Modell eines Berufsheeres zu werben. Die Partei ließ ihren Minister bis 14 Tage vor der Volksbefragung weitgehend alleine kämpfen. Erst dann warf sich SP-Bundeskanzler Werner Faymann mit in die Werbeschlacht. Auch ihm gelang es aber nicht, seine Partei geschlossen auf Kurs zu bringen. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller etwa kündigte offen an, für die Wehrpflicht zu stimmen.

Sogar "Krone"-Leser für Wehrpflicht

Auch aus dem eigenen Haus bekam Darabos nicht viel Schützenhilfe - im Gegenteil. Mehrere Führungskräfte im Heer, allen voran Generalstabschef Edmund Entacher, warnten vor höheren Kosten und eingeschränkter Einsatzfähigkeit eines Berufsheeres.

Was ihm an Unterstützung aus dem eigenen Haus fehlte, bekam Darabos vom Boulevard. Vor allem die „Kronen Zeitung", die die Debatte 2010 ausgelöst hatte, trommelte unermüdlich gegen die „absurde" Wehrpflicht. Das Ergebnis der Volksbefragung ist auch ein Beweis dafür, dass die Kampagnenfähigkeit der Zeitung nicht mehr das ist, was sie einmal war. Eine Nachwahlbefragung von Hajek Public Opinion ergab, dass auch die „Krone"-Leser mehrheitlich (zu 65 Prozent) für die Beibehaltung der Wehrpflicht stimmten.

Darabos: "Ich bleibe im Amt"

Darabos zeigte sich am Sonntagabend enttäuscht über das Ergebnis, aber: "Ich bleibe im Amt." Auch Parteichef Faymann war im Vorfeld der Befragung nicht müde geworden zu betonen, dass er den Minister jedenfalls halten wolle. Dennoch sitzt Darabos nun auf einem wackeligen Posten. Er machte wiederholt klar, dass er die Wehrpflicht nicht für reformierbar hält, muss jetzt aber genau das umsetzen. Dafür werde er mehr Geld brauchen, sagte er am Sonntag. VP-Finanzministerin Maria Fekter hatte das zuvor bereits abgelehnt.

Für die SPÖ käme eine Personalrochade vor der Nationalratswahl jedenfalls schon deshalb gelegen, weil Darabos zu den in der Bevölkerung unbeliebtesten Regierungsmitgliedern zählt.

--> Norbert Darabos im Porträt

Die Wehrpflicht in Österreich

Mit oder ohne Darabos - das ohnehin nicht gerade rosige Klima in der Koalition dürfte nach der teils erbittert geführten Werbeschlacht und dem klaren ÖVP-Erfolg nun noch frostiger werden.
Die allgemeine Wehrpflicht gibt es in Österreich - mit Unterbrechungen - seit 143 Jahren. Der Präsenzdienst wurde immer wieder verkürzt, seit 2006 dauert er sechs Monate. Immer mehr junge Männer entscheiden sich für den Zivildienst, der 2006 auf neun Monate verkürzt wurde.

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