"Sind kein Jugendlager für 19-jährige Buben"

(c) APA BUNDESHEER AIGNER REGINA (BUNDESHEER AIGNER REGINA)
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Der Kommandant der Streitkräfte im Bundesheer, Franz Reißner, fordert im Interview mit der "Presse" höhere Mittel für eine Reform des Grundwehrdienstes.

Die Presse: Die Österreicher haben sich am Sonntag deutlich für die Wehrpflicht und gegen ein Berufsheer entschieden. Sind Sie mit dem Ergebnis der Volksbefragung zufrieden?

Franz Reißner: Das klare Ergebnis bringt uns eine hohe Legitimität für das System der Wehrpflicht. Ich selbst hatte keine Präferenz, ob es das eine oder das andere System sein soll.

Sie können also auch mit der Wehrpflicht leben?

Ich kann selbstverständlich mit jeder Lösung leben, die uns der Gesetzgeber in die Hand gibt.

Jetzt wollen alle Parteien den Grundwehrdienst reformieren. Ist das denn machbar?

Es geht natürlich grundsätzlich, wenn entsprechende Regelmechanismen vorhanden sind.

Das heißt konkret?

Der Hauptkritikpunkt, der ja von uns selbst kommt, lautet, dass wir zu viele wehrpflichtige Soldaten für infrastrukturelle Aufgaben verwenden müssen. Sie haben dann nicht die Möglichkeit, im ureigensten militärischen Kernbereich verwendet zu werden und so die Sinnhaftigkeit ihres Dienstes unmittelbar zu erleben.

Wie lässt sich das ändern?

Es gibt verschiedene Parameter. Wenn wir weniger Wehrpflichtige für das Betreiben der Infrastruktur aufwenden, muss das durch andere Kräfte bewerkstelligt werden. Man kann natürlich verschiedene Dinge optimieren, aber das wird nicht zum großen Erfolg führen – also dass wir die derzeit 60Prozent Systemerhalter künftig in einem hohen Ausmaß den klassischen militärischen Einsatzaufgaben zuführen können.

Das heißt, Sie werden die Dienstleistungen auf dem Markt zukaufen müssen.

Das kommt auf die Stellschrauben an, an denen der Gesetzgeber dreht. Wenn ich kein Geld in der Hand habe, kann ich nichts zukaufen. Das ist ganz einfach. Man kann viele Verbesserung im Detail machen, aber der große Wurf geht nicht ohne mehr Geld.

Die ÖVP spricht von einem Talentecheck, davon, dass die Rekruten Ausbildungen für die Zeit nach dem Heer erhalten sollen. Halten Sie das für einen gangbaren Weg?

Die entsprechende gesetzliche Vorgabe heißt Wehrdienst. Man dient der Republik Österreich für die Zwecke der Republik. Die Aufgabe der Streitkräfte ist es, entsprechende Fähigkeiten zu produzieren. Wenn das im Einklang mit dem Interesse der Gesellschaft und mit dem persönlichen Interesse der Wehrpflichtigen erfolgt, dann ist das hervorragend und sehr gut.

Das heißt, das Bundesheer wird nicht zu einer Ausbildungsstätte der Österreicher umfunktioniert?

Das Bundesheer ist eine Ausbildungsstätte, aber für die gesetzlichen Aufgaben des Bundesheers – und nicht im Sinne eines Jugendlagers für 19-jährige Buben.

Sie wollen also auch nicht in Richtung Abenteuer und Erlebnis gehen?

Die Thematik Schutz und Hilfe ist zu ernst, um das mit irgendwelchen Abenteuerurlaubsgeschichten verbinden zu können. Da würde ich doch um Ernsthaftigkeit bitten. Es geht um Menschenleben, es geht um den Schutz der Bevölkerung.

Im Berufsheerkonzept hätte es einen Abbau der Berufssoldaten geben sollen. Ist das jetzt nicht mehr notwendig?

Das wäre aus meiner Sicht auf jeden Fall notwendig. Das Bundesheer wurde im vergangenen Jahrzehnt an der Basis verkleinert. Aufgrund unseres Dienstrechtes existiert im Bereich des Overheads ein Anteil an Soldaten und Zivilbediensteten, der in der Grafik einen Bauch bildet. Es ist natürlich notwendig, dass wir zu einer gesunden pyramidenförmigen Personalstruktur kommen. Da arbeitet ja das Bundeskanzleramt schon seit längerer Zeit daran. Wenn das beschleunigt werden kann, auf sozial verträgliche Art unter einem ehrenvollen Ausstieg der älteren Kaderangehörigen, dann ist das natürlich hilfreich. Sofern uns die Mittel bleiben, um im Betrieb investieren zu können. Wenn man uns die Mittel wegnimmt, ist das ein Nullsummenspiel.

Investitionen sind ein gutes Stichwort: Wo sehen Sie dringenden Bedarf?

Wir haben in verschiedensten Bereichen Investitionsbedarf. Es ist aber nicht so, wie in der öffentlichen Diskussion gesagt wird, dass wir veraltetes Gerät hätten. Wir sind für unsere Aufgaben entsprechend den Eintrittswahrscheinlichkeiten so gut ausgerüstet, wie noch nie zuvor.

Also keine Rede von zerfallenden Kasernen und veralteten Fahrzeugen?

Natürlich gibt es immer wieder Reinvestitionsbedarf in verschiedensten Bereichen, etwa in der Kfz-Flotte, bei der wir natürlich Impulse brauchen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)


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