Reform: Neue Gefechte um Wehr- Etat und Strategie

(c) APA HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Bis Herbst will Österreichs Bundesregierung den Präsenzdienst attraktiver machen. Aber schon bilden sich wieder die alten Fronten - um die Verteidigungsdoktrin und die Höhe der Finanzierung.

Wien. Ganz konnte sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) das Lachen nicht verkneifen, als er am Dienstag nach dem Ministerrat vom Reformkonzept der ÖVP für den Grundwehrdienst sprach: „Es ist nicht besonders dick, ich habe es aber noch nicht gelesen“, meint er und wedelte mit den sechs Seiten Papier herum, um zu beweisen, dass die Volkspartei mit Verbesserungsvorschlägen noch sehr sparsam ist. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) konterte daraufhin: Man habe den Regierungspartner nicht mit einem dicken Konvolut überfordern wollen.

Grundsätzlich bemühte sich die Regierungsspitze allerdings am Dienstag, den Wählern zu zeigen, dass sie das Ergebnis der Volksbefragung ernst nehmen und es so schnell wie möglich auch umsetzen wollen. Das bedeutet: Im Herbst soll es bereits einen „Wehrdienst neu“ geben. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, ihr gehören auf SPÖ-Seite Verteidigungsminister Norbert Darabos und Staatssekretär Josef Ostermayer, auf ÖVP-Seite Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Klubobmann Karlheinz Kopf an. Bis zum Sommer sollen sie ein Reformkonzept herausarbeiten. Dabei will man vor allem das „Regierungsübereinkommen, die Ergebnisse der Bundesheerreformkommission Bundesheer 2010 sowie neue sicherheitspolitische Entwicklungen“ berücksichtigen, heißt es in einem Papier, das Verteidigungs- und Innenministerium im Ministerrat gemeinsam vorgelegt haben.

Die ÖVP hat in die Verhandlungen zur Verbesserung des Grundwehrdienstes ein Zwölf-Punkte-Konzept eingebracht. Dieses sei schon länger „in der Schublade“ gelegen, man hätte es aber erst nach dem 20.Jänner präsentieren wollen. Nun hat es die ÖVP doch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Ihre erste Forderung betrifft dabei die Sicherheitsstrategie: Diese besteht aus einem Analyse- und (theoretisch) aus einem Empfehlungsteil. Der Analyseteil wurde bereits im März 2011 im Ministerrat beschlossen. Darin wurden Aufgaben und Anforderungen des Bundesheers festgehalten. Seitdem hätte das Parlament Zeit gehabt, den Empfehlungsteil zu beschließen – darin hätte man die Wehrpflicht verankern können. Da sich die Regierung aber bisher in dieser Frage nicht einigen konnte, wurde ein solcher Empfehlungsteil niemals beschlossen. Die ÖVP will dies – jetzt, da die Wehrpflicht gewonnen hat – nachholen. Hier kündigen sich schon die ersten Differenzen an: Die SPÖ will die allgemeine Wehrpflicht nämlich nicht in der neuen Sicherheitsstrategie verankern. Das nährt in der ÖVP Bedenken, die SPÖ wolle sich damit den Weg in Richtung Berufsheer nicht verbauen.

Die zweite Forderung der Volkspartei betrifft die Einrichtung einer Arbeitsgruppe – das kann die Volkspartei auf der To-do-Liste schon einmal abhaken. Als dritten Punkt wird ein Talentecheck für Grundwehrdiener gefordert. Rekruten sollen in den Bereichen eingesetzt werden, für die sie am besten geeignet sind. Außerdem soll (als vierter Punkt) die Anzahl der Systemerhalter (also Fahrer, Köche etc.) reduziert werden. Nur gelernte Köche sollen in Zukunft auch kochen.

Terminplanung und Wertevermittlung

Die Forderungen fünf bis elf konzentrieren sich auf die Aktivitäten beim Grundwehrdienst: Spezialisierung auf Katastrophenhilfe, Erste-Hilfe-Schulungen, gemeinsame Übungen mit der Feuerwehr und Spitzensportlern, ein Ernährungsschwerpunkt sowie die „Vermittlung der österreichischen Werte“ sollen auf dem Programm stehen. Und: „Nach Beendigung der Grundausbildung soll der Rekrut in groben Zügen über den Zeitplan seiner weiteren Tätigkeit beim Heer informiert werden, um private Terminplanungen zu ermöglichen.“

Als letzten Punkt hält die ÖVP außerdem fest: Die Berufsheer-Pilotprojekte seien sofort zu beenden, da diese nur „unnütz Budgetmittel“ verschlingen. Darabos plant eigentlich, die Projekte zur Freiwilligenmiliz, Reduktion der Systemerhalter und „Professionalisierung der Verbände“ noch für zwei weitere Jahre durchzuziehen.

Darabos selbst wollte am Dienstag Details zu den Reformvorschlägen seiner Partei noch nicht preisgeben („Das wäre unseriös“). Zwei Tage nach der Volksbefragung gebe es auch noch kein fertiges Konzept, erklärte er. Die ÖVP ist dennoch aufgrund der Unterlagen alarmiert, die für die Vorbesprechung zum Ministerrat der Koalitionspartner übermittelt hat. Nach Informationen der „Presse“ stützt sich dieses SPÖ-Papier in Eckpunkten auf den bereits mehrere Jahre alten Reformplan der Bundesheerreformkommission, die von dem inzwischen verstorbenen Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) geleitet wurde. Teilweise seien daraus Passagen eins zu eins kopiert worden.

Konflikt zwischen den beiden Koalitionsparteien birgt darüber hinaus die Frage, wie viel Budget künftig für die Landesverteidigung zur Verfügung gestellt wird. Aufbauend auf die Heeresreformkommission ist nun auch in den SPÖ-Plänen von einer Summe in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts die Rede. Das wären deutlich mehr als die derzeit rund zwei Milliarden Euro für das Heer (0,7 Prozent des BIPs). Minister Darabos relativierte hingegen vor der Regierungssitzung seinen Aussagen vom Vortag, dass mehr Geld notwendig sei. Mit dem jetzigen Budget werde man auskommen müssen. Ebenso wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) machte Darabos klar, dass die Finanzfrage nach Festlegung der „Attraktivierungsmaßnahmen“ im Heer zu klären sei.

Zugleich verwahrte sich der Verteidigungsminister vehement gegen Kritik, er habe bisher nicht gespart. „Ich habe einen Reformstau vorgefunden“, betonte Darabos. Er habe beispielsweise die Panzer reduziert, aber auch die Brigade. In Sachen Grundwehrdienst werde außerdem auch in seinem Ressort eine Expertengruppe einberufen.

Strache fordert weitere Volksbefragung

Zwei Tage nach der Volksbefragung meldete sich auch die Opposition zu Wort: Grünen-Chefin Eva Glawischnig forderte im ORF-Radio etwa einen Ressort-Tausch innerhalb der Koalition: Die ÖVP solle das Verteidigungsministerium bekommen, dafür müsse Umweltminister Nikolaus Berlakovich sein Amt der SPÖ überlassen. FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache hingegen verlangte am Dienstag eine Volksbefragung über mehr direkte Demokratie. Er möchte über die Einführung eines Initiativrechts zur Abhaltung von Volksabstimmungen abstimmen lassen. Die Regierung stellte allerdings am Dienstag klar: Vor der Nationalratswahl wird es keine weitere Befragung geben.

Auf einen Blick

Der „Wehrdienst neu“ soll im Herbst bereits umgesetzt werden, bis Sommer will die Regierung dazu Reformvorschläge ausarbeiten. Zuständig sind Verteidigungsminister Norbert Darabos, Staatssekretär Josef Ostermayer (beide SPÖ) sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Klubobmann Karlheinz Kopf (beide ÖVP). Auch im Verteidigungsressort soll es dazu eine Expertengruppe geben. Nach der Volksbefragung hat die ÖVP schließlich auch einige Forderungen für einen attraktiveren Grundwehrdienst vorgelegt: Systemerhalter sollen reduziert werden, außerdem sollen Grundwehrdiener einen „Talentecheck“ durchlaufen, mehr Sport treiben und Staatsbürgerschaftskunde belegen. Wenn dies „ein paar Millionen mehr kostet“, werde es auch nicht daran scheitern, heißt es aus der ÖVP.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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Kommentare

Dank sei der ÖVP für dieses Konzept!

Das Warten hat sich gelohnt: Der Wehrdienst soll eine Mischung aus Pfadfinderlager und AMS-Kurs werden.

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