Rückkehr der liberalen Pro-Europäer

(c) EPA (Bernd Thissen)
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Nach elf Jahren wird wieder die FDP den Außenminister stellen. Guido Westerwelle wird vor allem der Energie- und Marktpolitik seinen Stempel aufdrücken.

BRÜSSEL.Beflügelt durch ihr Rekordergebnis vom Sonntag wird die FDP die deutschen Europapolitik vor allem in den Bereichen Energie, Türkei-Beitritt und Wettbewerb zu beeinflussen versuchen, was zum Anlass für den einen oder anderen Streit mit dem Koalitionspartner CDU/CSU werden könnte. Vor allem das protektionistische Vorgehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Rettung des maroden Autoherstellers Opel mitten im Wahlkampf findet FDP-Chef Guido Westerwelle, der Außenminister werden dürfte, zutiefst ärgerlich.

„Ich kann überhaupt nichts davon halten, dass wir mit unseren deutschen Steuermilliarden nicht Arbeitsplätze in Deutschland retten, sondern in Wahrheit Russland technologische Entwicklungshilfe geben“, hatte Westerwelle am 14. September gesagt. Damit hatte er auf den Umstand angespielt, dass zum Konsortium um den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna auch der zweitgrößte russische Autokonzern Gaz sowie die russische Sberbank gehören.

Fürs Erste allerdings dürfte diese Frage Schwarz-Gelb aber nicht auseinandertreiben, meint Jürgen Wickert, der das Brüsseler Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit leitet. „Derzeit ist der Kitt sicher stärker als das, was trennt“, sagt er zur „Presse“.

Zankapfel Türkei-Beitritt

Besonders interessant wird es sein, ob und wenn ja, wie die FDP ihre Haltung zu den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei ändert. Derzeit fordert sie einen Volksentscheid, präzisiert aber nicht, worüber genau. „Die Liberalen im Europaparlament sind hier anderer Meinung als die FDP“, erklärt Wickert. Er glaubt aber, dass die FDP sich im Laufe der Zeit für einen Türkei-Beitritt aussprechen werde. „Auch wenn das Frau Merkels Politik nicht gefallen wird.“ CDU/CSU vertreten die Position, der Türkei solle eine Art von „besonderer Partnerschaft“, aber keine EU-Mitgliedschaft angeboten werden. Frankreich sieht das auch so. Präsident Nicolas Sarkozy gratulierte der Kanzlerin am Montag überschwänglich und nannte das Ergebnis eine „sehr gute Nachricht für das deutsch-französische Paar“, das sich „an die Spitze der Regulierung des Kapitalismus in Europa und der Welt“ stelle.

Die FDP wird schließlich dazu beitragen, den Ausstieg aus der Atomkraft aufzuschieben. Das wird Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zur Russland haben. Wenn die deutschen Atomkraftwerke zusperren, braucht Europa mehr russisches Gas. „Wer energiepolitisch einseitig abhängig wird, verliert auch seine wirtschaftliche und außenpolitische Unabhängigkeit“, hatte Westerwelle beim Dreikönigstreffen im Jänner gewarnt. „Ich bin sicher, dass die FDP diese Politik weiter verfolgen wird“, glaubt Wickert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2009)


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