EU: Ohrfeige für Bukarest, Warnung für Sofia

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Der neueste Bericht der EU-Kommission über den Kampf gegen Korruption, Rechtsbeugung und Mafia in Rumänien und Bulgarien wirft deren Hoffnung auf raschen Schengen-Beitritt weit zurück.

Auch fünf Jahre nach ihrem Beitritt zur EU erfüllen Bulgarien und Rumänien noch lange nicht die Anforderungen, die man an das Justizwesen und die Rechtsstaatlichkeit eines Mitgliedes der Union zu stellen hat. Das ist ein Rückschlag für die Hoffnungen der Regierungen in Bukarest und Sofia, möglichst bald dem Schengen-Raum beitreten zu können.

In ihrem neuesten Bericht über die diesbezüglichen Reformen in den beiden Ländern, der am Mittwoch vorgestellt wird, fällt die Europäische Kommission vor allem über Rumänien ein vernichtendes Urteil. „Die Kommission ist besorgt über den jüngsten Druck, der von Mitgliedern der rumänischen Regierung und führenden Politikern auf das Verfassungsgericht ausgeübt wird“, heißt es in einer vorab dem Nachrichtenportal Euractiv zugespielten Fassung des Berichts. „Das sind inakzeptable Einmischungen in eine unabhängige Justizinstitution.“

Wie mehrfach berichtet, hatte der amtsführende sozialdemokratische Regierungschef, Victor Ponta, mit mehreren Notverordnungen das Verfassungsgericht gelähmt und Parteigenossen an so gut wie allen Schaltstellen des rumänischen Staatswesens installiert. Im November stehen Parlamentswahlen an, und obwohl Pontas Sozialdemokraten zuletzt in Umfragen vorn lagen und Kommunalwahlen überzeugend gewannen, liegt der Verdacht nahe, dass hier schnell vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen. „Das Vertrauen der Partner Rumäniens wird nur durch den Nachweis zurückgewonnen werden, dass die Rechtsstaatlichkeit über Parteiinteressen steht, dass alle Seiten vollen Respekt für die richterliche Kontrolle zeigen und dass die Reformen unwiderruflich sind“, hält die Kommission in ihrem Bericht fest. Nach den jüngsten Ereignissen in Rumänien unmittelbar vor Erscheinen des halbjährlichen Monitoring-Berichts der EU ist Bulgarien um größtmögliche Abgrenzung zu seinem nördlichen Nachbarstaat bemüht. Unter keinen Umständen sollen die umstrittenen Vorgänge in Bukarest mit der Regierung in Sofia in Zusammenhang gebracht werden. Gerade jetzt lässt jedoch auch in Bulgarien ein unschöner Zwist zwischen Regierung und Richtern die Wogen hochgehen. Anlass war die Absetzung der kritischen Richterin Miroslawa Todorowa, der Vorsitzenden des bulgarischen Richterbundes, durch den Obersten Richterrat (BSS). Die offizielle Begründung für die Entlassung: Todorowa habe Urteilsverkündungen mit Absicht teils bis zur Verjährung hinausgezögert. Kritiker dagegen unterstellen der Regierung, Druck auf den BSS ausgeübt zu haben, weil Todorowa gegen Innenminister Zwetan Zwetanow eine Verleumdungsklage eingebracht hatte. Premierminister Bojko Borrissow bezeichnete die Entlassung der Richterin daraufhin als „Provokation.“

Größte Herausforderung: Kriminalität

Dahinter dürfte das Kalkül stecken, sich so kurz vor Erscheinen des EU-Berichts im Land keine neuen Probleme mit der Kommission einhandeln zu wollen.

Schon mehrmals hatte die Behörde das undurchsichtige Verfahren zur Ernennung des Obersten Richterrats kritisiert. Es bedürfe „einer Reform, um die Transparenz und Integrität des Rats zu stärken“, forderte die Kommission im letzten Bericht vor einem halben Jahr. In diesem Bereich soll es nun tatsächlich Fortschritte in Form einer öffentlichen Wahl der elf durch das Parlament bestimmten Ratsmitglieder geben. Andere Baustellen, wie etwa gravierende Mängel und Undurchsichtigkeit bei Gerichtsverfahren zu wichtigen Korruptionsfällen bleiben dagegen weiter ungelöst. Dafür holt sich Bulgarien nun Unterstützung aus der EU: Richter und Staatsanwälte aus Deutschland, Spanien, Holland, Italien und Frankreich werden fünf ins Stocken geratene Fälle der Justiz überprüfen. Bis September sollen die Experten die Gründe für das Scheitern bei der Bekämpfung von Korruption im Land überprüfen und Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Die größte Herausforderung für Bulgarien aber bleibt die organisierte Kriminalität: Gruppierungen, die sich auf Menschenhandel, Bankomat- und Kreditkartenbetrug spezialisiert haben, agieren laut Europol mittlerweile in 15 EU-Ländern.

Auf einen Blick

Im neuen Fortschrittsbericht der EU zur Rechtsstaatlichkeit in Rumänien und Bulgarien hagelt es Kritik. Die aktuelle Regierungskrise in Bukarest lasse Zweifel daran aufkommen, dass die Machthaber sich an die Regeln des Rechtsstaates halten und die Unabhängigkeit der Justiz respektieren, so der Bericht, den die EU-Kommission an diesem Mittwoch offiziell präsentieren will.

In Bulgarien bleibe die organisierte Kriminalität die größte Herausforderung. Bulgarische Gruppierungen, die sich auf Menschenhandel sowie Bankomat- und Kreditkartenbetrug spezialisiert hätten, agieren laut Europol bereits in 15 EU-Mitgliedstaaten und zählen somit zu den bedeutendsten innerhalb der EU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2012)

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