EU-Budget wird um 50 Milliarden Euro gekürzt

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Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben den Rotstift gezückt und kappen den Haushaltsrahmen infolge der Staatsschuldenprobleme um gut fünf Prozent um mindestens 50 Mrd. Euro. Alle Politiken sind betroffen.

Brüssel. Weniger Geld für die Bauern, weniger Geld für neue Autobahnen, weniger Geld für die Forschung, weniger Geld für die Eurokraten: Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben den Rotstift gezückt und den Vorschlag der Europäischen Kommission für den Haushaltsrahmen der sieben Jahre ab 2014 von 1033 Milliarden Euro um mindestens 50 Milliarden Euro gekürzt. Das erfuhr „Die Presse“ am Montagnachmittag aus Diplomatenkreisen.

Dieser Kürzungsvorschlag aus der Feder der zypriotischen Ratspräsidentschaft bedeutet, gemessen in Preisen des Jahres 2011, eine Kürzung um rund fünf Prozent. Alle Politiken sind betroffen, besonders groß werden die Einschnitte bei der Kohäsionspolitik und der Subventionierung der Landwirtschaft sein. Und es wird vor allem die ärmeren Länder Osteuropas treffen, die in den Jahren 2004 und 2007 in zwei Wellen der Union beigetreten sind. Denn erstens soll ein EU-Land künftig höchstens 2,35Prozent seiner Wirtschaftsleistung aus EU-Fördertöpfen beziehen dürfen. Bisher beträgt dieser Grenzwert 2,5 Prozent, und er zielte vor allem auf Polen und die Slowakei ab, wo der hohe Aufholbedarf bei der öffentlichen Infrastruktur große Fördersummen aus den EU-Geldtöpfen anzog.

Österreich relativ ungeschoren

Zweitens werden die Kürzungen in der Landwirtschaftspolitik in erster Linie die Direktzahlungen betreffen – also die Subventionen, die sich an der Größe der Äcker und des Viehbestands bemessen. Hier werden die neuen Mitgliedstaaten vor allem dadurch Abstriche machen müssen, dass die langfristige Angleichung der Förderungen zwischen reichen westlichen und armen östlichen Ländern langsamer als ursprünglich versprochen ausfällt. Sprich: Die wesentlich niedrigeren Flächen- und Kopfprämien im Osten, die mit niedrigeren Produktions- und Lebenshaltungskosten begründet sind, werden noch länger niedrig bleiben.

Die sogenannte zweite Säule der Agrarpolitik, aus der Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt, der Erhaltung traditioneller Dorfstrukturen und Ähnliches finanziert werden, soll dagegen vergleichsweise wenig gekürzt werden. Österreichs Landwirte profitieren vor allem von diesen Programmen der sogenannten ländlichen Entwicklung. Zwar wird es auch hier Kürzungen geben, zumindest in der Form, dass die Förderbeträge eingefroren werden, also nicht mit der Teuerungsrate steigen. Sie werden aber vergleichsweise geringfügig ausfallen. Denn allen Unkenrufen der Agrarlobbyisten zum Trotz ist die zweite Säule mit ihren Programmen zum Schutz der Umwelt und des traditionellen agrarischen Lebensraumes ziemlich unbestritten.

Rücksicht auf den „Club Med“

Ursprünglich wollten die Nettozahlerländer – darunter auch Österreich – den EU-Finanzrahmen um mindestens 100 Milliarden Euro kappen. Die schweren Rezessionen in allen Mittelmeerländern ließen aber rasch die Einsicht keimen, dass man den Krisenländern von Portugal bis Griechenland nicht auch noch die bitter benötigten EU-Fonds kürzen kann. Sie sind im neuen zypriotischen Vorschlag von den Kürzungen weitgehend ausgenommen – zulasten der Osteuropäer.

Kürzungen wird es auch im Bereich Wissenschaft und Forschung geben, und zwar durch den Kniff, dass die bisher außerhalb des EU-Finanzrahmens laufenden Großprojekte Galileo (Satellitennavigation) und Iter (Kernfusion) voll ins EU-Budget aufgenommen werden. Somit bleibt beim gegenwärtigen Stand der Dinge in diesem Budgetkapitel unter dem Strich weniger Geld für populäre Vorhaben wie das Studentenaustauschprogramm Erasmus.

Gekürzt wird auch bei den EU-Beamten. Die Gesamthöhe des Etats wird das aber nur marginal drücken: Gut 94 Prozent des EU-Budgets fließen nämlich in die Mitgliedstaaten zurück.

Auf einen Blick

Der Etat der Europäischen Union wird traditionell in Siebenjahresperioden geplant. Der aktuelle sogenannte mehrjährige Finanzrahmen läuft Ende 2013 aus. Für die nächste Periode (2014–2020) hat Budgetkommissar Janusz Lewandowski heuer im Juli einen Rahmen von 1033 Milliarden Euro vorgeschlagen. Sprich: Zu Ausgaben in diesem Ausmaß soll sich die Union maximal verpflichten dürfen. Den nationalen Regierungen ist das zu viel: Sie verlangen eine Kürzung um gut 50Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2012)

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