Streit um EU-Budget spaltet britische Koalition

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Großbritanniens Premierminister David Cameron verlor im Parlament eine Abstimmung über den Haushalt, weil einige Hardliner seiner Partei eine härtere Gangart einfordern. Die Liberaldemokraten schäumen.

Wien/London/ag. Die britische Koalition steht wegen des Konflikts um den europapolitischen Kurs vor einer Zerreißprobe. Nach der Abstimmungsniederlage über das EU-Budget im Parlament warnen die Liberaldemokraten ihren konservativen Regierungspartner eindringlich vor einem Konfrontationskurs mit der EU. Das könne die Mitgliedschaft des Königreichs in der Staatengemeinschaft gefährden, sagte der stellvertretende Premierminister Nick Clegg gestern in London.

Zahlreiche europakritische Abgeordnete der konservativen Tories von Premierminister David Cameron hatten tags zuvor mit der oppositionellen Labour Party gestimmt und Kürzungen im EU-Budget gefordert. Gegen Camerons Haltung, einer Erhöhung der Brüsseler Haushaltsmittel in Höhe des Inflationsausgleichs zuzustimmen und ansonsten ein Veto einzulegen, stimmten 307 Abgeordnete (294 stimmten dafür). Ihnen geht der Vorschlag des Premiers nicht weit genug: Sie lehnen jede Erhöhung des Budgets strikt ab. „Wenn Sie meinen, die EU habe zu viel Geld, ihr Budget sei zu groß und müsse schrumpfen, dann stimmen Sie für unsere Initiative“, forderte etwa der konservative Abgeordnete Mark Reckless einem Bericht der britischen BBC zufolge. Großbritannien habe „die Nase voll“ davon, der EU jedes Jahr mehr Geld zu geben. Eine Kürzung der Beiträge sei „das Einzige“, was seine Gruppe akzeptieren würde. „Sie werden niemals etwas erreichen, wenn Sie mit den Füßen stampfen und sagen, wir wollen Mitglied in diesem Klub sein, aber einseitig die Spielregeln ändern und darüber entscheiden, was wir unterschreiben“, warnte dagegen Clegg.

Auch Osborne fordert Budgetkürzung

Inzwischen schwenkte auch Finanzminister George Osborne auf den Kurs der Hardliner in seiner Partei ein: „Wir wollen eine Kürzung des EU-Budgets“, sagte er im BBC-Hörfunk. „Wir werden unser Veto gegen jede Einigung einlegen, die nicht im Interesse der britischen Steuerzahler ist.“ Auch die Stimmung der Öffentlichkeit habe sich gegen die EU gewendet, ergänzte er. Bisher hatte er sich dazu nicht eindeutig geäußert.

Paradoxerweise könnte die Abstimmungsniederlage im Parlament Camerons Verhandlungsposition beim Budgetgipfel in Brüssel am 22. und 23. November sogar stärken. Denn der Premier könnte  ein Veto einlegen – mit der Begründung, dass das Parlament in London das von ihm verlange, obwohl die verabschiedete Resolution keineswegs bindend ist. Eine allzu harte Haltung würden aber wiederum die mitregierenden Liberaldemokraten nicht dulden: Ein Koalitionsbruch könnte die Folge sein, so Cameron sich auf den Kurs der Hardliner in seiner Partei einlässt.

Das Gemeinschaftsbudget ist nicht nur in Großbritannien umstritten. Auch Frankreich hat mit einem Veto gegen den gemeinsamen EU-Haushalt 2014–2020 gedroht. Paris will als größter Nutznießer der landwirtschaftlichen Subventionen kein Budget akzeptieren, „das die Mittel der gemeinsamen Agrarpolitik nicht beibehält“. Mit Deutschland pochte ein dritter Nettozahler auf Nachbesserungen im Kompromissvorschlag der zypriotischen Ratspräsidentschaft. Die angeregten Kürzungen von 50 Mrd. Euro gegenüber dem Entwurf der Kommission reichten bei Weitem nicht aus, erklärte Außenamtsstaatsminister Michael Link.

Der größte Beitragszahler der EU gehört mit Frankreich, Italien, Österreich und Schweden zu einer Gruppe von Ländern, die mindestens 100 Mrd. Euro aus dem Kommissionsentwurf streichen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2012)

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