Europas Jugend ohne Job: Starrer Kündigungsschutz verhindert Anstellungen

(c) AP (Franka Bruns)
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Die Jugendarbeitslosigkeit legt in ganz Europa zu. Das liegt aber nicht immer nur an der Wirtschaftskrise.

Wien. In Spanien war nicht immer alles schlecht. 2007 herrschte Hochkonjunktur, das billige Geld bescherte den (Bau-)Firmen Aufträge und den Menschen Jobs. Hilfsarbeiter hatten Spitzengagen, weil allerorts Häuser aus dem Boden schossen. Ausbildung, Können, Uni-Abschluss? Nebensache. Dann kam der Einbruch. Die Hauseigentümer sitzen auf Krediten, die sie nicht zurückzahlen können. Und Akademiker arbeiten bei McDonald's oder wandern aus. Nirgendwo in der EU sind so viele Menschen unter 25 Jahren arbeitslos wie in Spanien. Im Oktober erreichte die Jugendarbeitslosigkeit dort ein neues Hoch. Die UNO warnt vor einem Absinken in einen „sozialen Sumpf“ und einer „verlorenen Generation“.

Wer dafür allein der Krise die Schuld gibt, liegt aber falsch. In Spanien ist die Arbeitsmarktkrise die Regel, nicht die Ausnahme – anders als in Griechenland. Im Jahr 1986, als Spanien der EU beitrat, lag die Arbeitslosigkeit schon bei rund 22 Prozent, etwa auf dem Level von 2011. Heute sind es 26 Prozent. Nur in den kurzen Hochphasen sank die Arbeitslosigkeit sichtbar. Spanien hat ein Strukturproblem: Sobald die Wirtschaft auch nur leicht schwächelt, gerät auch der Arbeitsmarkt ins Strudeln. Das zeigte sich auch in der kurzen Rezession der Jahre 1992/93: Da kletterte die Arbeitslosigkeit schnell auf Höhen um die 20 Prozent.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist immer höher

So verhält es sich auch mit der Jugendarbeitslosigkeit: Heute beträgt sie 56 Prozent, aber in der Hochkonjunktur vor der aktuellen Krise waren es zeitweise „nur“ um die 20 Prozent. Aber das Wachstum war eine Blase, und als diese platzte kam die nächste Rezession. Jetzt erlebt Spanien einen Rückfall. Mit Schwierigkeiten, die schlimm sind, aber nicht neu. Die strukturellen Probleme wurden nämlich nie gelöst: So ist der Kündigungsschutz in Spanien so streng wie in kaum einem anderen Land auf der Welt. Wer einen festen Vertrag hat, ist praktisch unkündbar. Deshalb zögern Unternehmer, neue Mitarbeiter einzustellen – und der Arbeitsmarkt bleibt für Neueinsteiger quasi verschlossen. Ähnlich ist die Situation in Portugal, Griechenland und Italien. Die Regierungen haben das Problem erkannt und Reformen eingeleitet, sehr zum Unmut der Gewerkschaften, die da wie dort protestieren.

Die Jugendarbeitslosigkeit wird aber hoch bleiben – zumindest im Vergleich mit der generellen. Jugendliche sind in der Regel doppelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen wie die Gesamtbevölkerung. Im Musterland Schweden ist sie mit 23 Prozent sogar drei Mal so hoch. Unternehmen entlassen junge eher als länger dienende Mitarbeiter. Auch weil junge wegen des niedrigeren Kündigungsschutzes leichter abzubauen sind. Sie haben zudem weniger Erfahrung und sind leichter ersetzbar, die Bindung an das Unternehmen ist niedriger. Als das beste Rezept gegen Jugendarbeitslosigkeit gilt deshalb eine niedrige allgemeine Arbeitslosenquote.

14.000 Euro für künstliche Lehrstelle

Wie man Arbeitslosigkeit bekämpft, zeigt das Beispiel Deutschland: Das wirtschaftliche Zugpferd der Eurozone war einmal der „kranke Mann“ Europas. Mit den Hartz-Reformen der Nullerjahre wurde der Arbeitsmarkt dereguliert, der Kündigungsschutz gelockert. Heute hat das Land eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der EU. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 8,1 Prozent sogar niedriger als jene in Österreich.

Dabei hat kaum ein Land so wenige junge Arbeitslose wie Österreich. Zuletzt hatten 8,5 Prozent der unter 24-Jährigen keinen Job, EU-weit waren es 23,4 Prozent. Das liegt vor allem am relativ flexiblen Arbeitsmarkt. Als Erfolgsrezept gilt aber vor allem die Lehre, im Fachjargon „duale Ausbildung“ genannt. Ein vergleichbares Ausbildungssystem gibt es sonst nur in Deutschland und in der Schweiz. Aber immer mehr Länder nehmen sich Österreich zum Vorbild. Der Vorteil des dualen Systems ist, dass junge Menschen eine praktische Ausbildung machen und gleichzeitig in die Schule gehen. Sie haben also schon einen Fuß im Betrieb, der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt schneller. In anderen Ländern wachsen Lehrlinge in Schulen heran.

Wer in Österreich keine Lehrstelle findet, für den wird eine geschaffen. Die „Ausbildungsgarantie“ verspricht jedem Menschen unter 18 einen Ausbildungsplatz. Wenn nicht in der Schule oder in einem Unternehmen, dann in einer „überbetrieblichen“ Lehrwerkstatt. Eine solche Ausbildung kostet den Staat rund 14.000 Euro pro Kopf und Jahr. Im Vorjahr machten 12.300 Jugendliche eine überbetriebliche Lehrausbildung. Jeder zweite schafft den Sprung in einen „echten“ Betrieb.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2012)

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