Der Club Med bleibt auch 2013 Problemkind der Eurozone

Die südeuropäischen Euroländer werden ihre Schuldenkrise heuer kaum in den Griff bekommen. Ein Ausblick.

Die Mischung aus Kreativität, Savoir-Vivre und Flexibilität galt lange als das wirtschaftliche Erfolgsrezept südeuropäischer Unternehmer. Dank ihrer erzeugten Staaten wie Italien oder Spanien boomende Wirtschaften – und finanzierten dies oft mit hohen Schulden. Viel zu lange wurde wohl auch deshalb in Brüssel über nicht lupenreine Bilanzen sowie endemische Probleme hinweggesehen, die die meisten Staaten des „Club Med der Eurozone“ plagen: ineffiziente Institutionen, schwerfällige Bürokratien, eine nicht funktionierende Justiz, Nepotismus, weit verbreitete Korruption. Dies sowie hohe Staatsschulden führten Südeuropas Länder an den Rand des Ruins.

Der „Club Med“ wird auch 2013 Euro-Problemkind bleiben. Hier die größten Herausforderungen, die auf die südeuropäischen Staaten – und den Euro – zukommen.

Italien droht „der Sprengsatz zu werden, der die Eurozone in die Luft jagt“. Diese Warnung stammt vom gerade erst zurückgetretenen Technokratenpremier Mario Monti, Architekt des strengsten Spar- und Reformprogramms der italienischen Nachkriegsgeschichte. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steckt in einer tiefen Rezession, die Staatsverschuldung ist die zweithöchste in der EU nach Griechenland. Zugleich steigen die Unzufriedenheit und der Frust: Immer mehr Menschen in Italien haben keinen Job, immer mehr Familien schaffen es nicht, mit ihrem Gehalt bis zum Ende des Monats auszukommen.

Neben der Sanierung der Bilanzen sind Strukturreformen dringend notwendig, wie etwa weitere Liberalisierungen oder eine Reform des maroden Justizsystems. Wie es mit dem Belpaese weitergehen wird, müssen nun die Italiener selbst entscheiden: Ende Februar finden Parlamentswahlen statt. Die große Frage ist, ob dann die neue Regierung bereit ist – und eine ausreichende Mehrheit dazu haben wird –, den rigiden Spar- und Reformkurs fortzusetzen.

Spanien versucht derzeit alles zu vermeiden, um heuer beim Rettungsfonds der EU um Finanzhilfe bitten zu müssen. Dies wäre eine politische Kapitulation, die sich Spaniens Premier Mariano Rajoy nicht leisten kann. Doch die Wirtschaft des nahezu bankrotten Landes kommt trotz Sparkurses nicht auf die Beine: Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit fallen für 2013 höher aus, als prognostiziert war. Auch bleibt die Sorge, dass die Regionen und Banken des Landes mehr Mittel benötigen könnten als vorgesehen. Der Rückfall der spanischen Wirtschaft in die zweite Rezession seit 2009 erschwert Rajoys Aufgaben zusätzlich.

Indes wächst der Unmut: Immer mehr Menschen haben keinen Job, Delogierungen von Spaniern, die die Kredite für ihre Wohnungen nicht zurückzahlen können, gehören zur Tagesordnung. Jüngste Berichte, wonach die Regierung die Pensionsreserven seiner Bürger plündert, um ihre Schulden zu begleichen, dürften die Wut auf die Politiker weiter erhöhen.

Griechenland ist unter allen südeuropäischen Krisenstaaten das größte Sorgenkind. Seit nunmehr drei Jahren steckt es in einer tiefen Schuldenkrise. Auch die Stimmung im Land ist durchwegs pessimistisch: Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung befürchten, dass 2013 für sie noch schlimmer wird als das ohnehin schon schwierige 2012. Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Im Gegenzug für dringend benötigte Hilfskredite hat die Regierung in Athen im November ein weiteres drastisches Sparpaket beschlossen.

Renten und Löhne werden gekürzt, das Pensionsalter wird angehoben, und weitere Staatsbedienstete sollen entlassen werden. Forciert werden soll im kommenden Jahr endlich auch der verschleppte Kampf gegen Steuerhinterziehung und die Privatisierung von Staatsbetrieben. Massive Proteste der verzweifelten Bevölkerung gehören in der Hauptstadt Athen mittlerweile beinahe zum Alltag. Besonders gegen Deutschland, das für einen strikten Sparkurs der Krisenländer eintritt, gehen die Emotionen hoch. Beim letzten Besuch von Kanzlerin Angela Merkel im Oktober musste wegen zahlreicher Demonstrationen die gesamte Athener Innenstadt gesperrt werden. Doch die Sparmaßnahmen sind dringend nötig, denn ohne die Hilfsgelder von EU, IWF und EZB wäre Griechenland längst bankrott. Allerdings haben die Sparmaßnahmen zu einer langen Rezession geführt. Die Wirtschaft könnte sich frühestens 2014 wieder erholen.

Portugal galt unter den südeuropäischen Krisenstaaten lange als Musterschüler. Doch die Aussichten für das kommende Jahr sind wenig erbauend: Die Arbeitslosigkeit soll stark steigen, die Rezession weiter andauern. Im vergangenen November hat die Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho einen rigorosen Sparhaushalt beschlossen. In den kommenden zwölf Monaten soll es massive Steuererhöhungen geben, zudem sind drastische Kürzungen bei Pensionen und im Gesundheitssektor vorgesehen. Monatelang hat die Bevölkerung die Sparmaßnahmen fast stoisch ertragen, bis es vergangenen Herbst erstmals zu massiven Protesten in der Hauptstadt Lissabon gekommen ist. Ähnlich wie in Griechenland richtet sich der Zorn vor allem gegen Deutschland.

Zypern stellte im Sommer 2012 wegen dringenden Finanzierungsbedarfs einen Hilfsantrag an die internationalen Geldgeber. Noch aber gibt es keine Einigung über ein Rettungspaket. Die Regierung in Nikosia will ihrer Bevölkerung keine zu drastischen Einschnitte zumuten. Sie lehnt wichtige Forderungen der Troika wie etwa die Privatisierung von Staatsbetrieben derzeit strikt ab. Zudem muss Zypern erst erhebliche Zugeständnisse bei der Bekämpfung der Geldwäsche machen. Bei einer Sondersitzung Ende Jänner wollen die Euro-Finanzminister über den Fall beraten. Dann soll auch ein Bericht über den Finanzbedarf bei der Sanierung der zypriotischen Banken vorliegen, die durch die enge Verflechtung mit der griechischen Wirtschaft stark in die Bredouille geraten sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

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