Schratzenstaller: "Das wird ein unbefriedigendes Budget"

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Margit Schratzenstaller, Expertin des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, argumentiert für ein völlig neues EU-Finanzierungssystem.

Die Presse: Sie haben in einem Policy-Brief für die Gesellschaft für Europapolitik argumentiert, dass der Budgetstreit in der EU nur nachhaltig gelöst werden kann, wenn das Finanzierungssystem geändert wird. Was meinen Sie damit?

Margit Schratzenstaller: Ein neues Finanzierungssystem ist der zentraler Dreh- und Angelpunkt, um die Reformblockade zu lösen. Derzeit beurteilen die einzelnen Mitgliedsländer die Vorschläge für den Haushalt unter dem Gesichtspunkt, was sie einzahlen und was sie herausbekommen, weil sich die EU vor allem aus nationalen Beiträgen finanziert. Früher waren die Hauptfinanzierungsquellen Zölle, Zuckerabgaben und derartige Eigenmittel. Heute dominiert die Finanzierung durch einen Mehrwertsteueranteil und den Beitrag, der sich aus dem Bruttonationaleinkommen errechnet. Jeder schaut nur darauf, was unten herauskommt.

Sie meinen, was ist der Nettobeitrag – die Summe aus Zahlungen und Rücküberweisungen?

Ja. Der Nettobeitrag ist die zentrale Entscheidungsgröße geworden. Andere nichtmonetäre Nutzen, wie etwa der gemeinsame Forschungsraum oder die Transeuropäischen Netze, bleiben unberücksichtigt.

Sollte die EU in Zukunft über eine eigene Europa-Steuer finanziert werden: Wer kann garantieren, dass es nicht einfach eine zusätzliche Belastung für die Steuerzahler wird?

Eigentlich sollte es ein Nullsummenspiel werden. Es soll ein Teil der nationalen Steuerkompetenz auf die EU übertragen werden. Umgekehrt kommt es dann zu einer Entlastung der nationalen Steuerbelastung.

Welche Steuern würden sich dafür eignen?

Seit Langem wird die Finanztransaktionssteuer genannt.

Da aber nur elf Länder daran teilnehmen, kann sie wohl kaum als Finanzierung für die EU herangezogen werden.

Zumindest so lange nicht, bis alle daran teilnehmen. Möglicherweise könnte sie für die Finanzierung eines gemeinsamen Eurozonen-Budgets dienen.

Gibt es Alternativen?

Es gibt den Vorschlag, dass man einen Aufschlag auf die Mehrwertsteuer dafür nutzt. Das hat den Nachteil, dass die Mehrwertsteuersätze in vielen Ländern bereits erhöht wurden. Die Kommission hat vorgeschlagen, eine CO2-Steuer einzuheben.

Beim EU-Haushaltsgipfel dürfte eher ein Minimalkompromiss herauskommen. Wird alles beim Alten bleiben?

Ich befürchte, dass es nur um Kosmetik bei großen Ausgabenkategorien gehen wird. Es deutet sich an, dass es im Finanzierungssystem keinen Fortschritt geben wird. Man wird dieses unbefriedigende Budget beschließen.

Zur Person

Margit Schratzenstaller ist im Wifo für Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik zuständig. Sie ist Lehrbeauftragte an der Universität Wien und der FH Wien. Schratzenstaller hat in Deutschland und den USA Finanz- und Wirtschaftswissenschaften studiert. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2013)

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