Berlin sagt "Ne": Grenzen bleiben zu

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Bulgarien und Rumänien sind wegen mangelnder Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung nicht beitrittsreif, meint Innenminister Friedrich.

Wien/Berlin. Die Grenzen bleiben dicht. Allen Hoffnungen in Bukarest und Sofia zum Trotz macht Berlin unmissverständlich klar, dass es einen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens beim Treffen der Innen- und Justizminister an diesem Donnerstag nicht unterstützen wird. Sollten beide Länder auf einer Abstimmung bestehen, werde der Vorstoß am „deutschen Veto scheitern“, sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in einem Interview mit dem „Spiegel“. So sei auch die ursprüngliche Überlegung, nur Teilbereiche wie die Einreise über Luft- und Seehäfen freizugeben, „vom Tisch“, erklärte der Minister. Diese Option war vor einem Jahr am Widerstand der Niederlande geplatzt. Österreich dagegen unterstützt den Gedanken eines zweistufigen Schengen-Beitritts. „Nach der Öffnung der See- und Luftgrenzen könnten wir eine umfassende Bewertung hinsichtlich möglicher Auswirkungen vornehmen“, sagt Hermann Muhr, Pressesprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, zur „Presse“.

Niederlande wollen Position lockern

Die offizielle Begründung für die deutsche Blockadehaltung sind nicht erfüllte Grundvoraussetzungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Besonders im Falle Rumäniens fiel der jüngste Justizbericht der EU-Kommission im Jänner verheerend aus. Bulgarien schnitt da schon weit besser ab: Das Land bekam von der Kommission „unumkehrbare Fortschritte“ in der Kriminalitätsbekämpfung attestiert. Die Niederlande – neben Frankreich, Finnland und Deutschland einst schärfster Gegner eines Schengen-Beitritts der beiden südosteuropäischen Länder – nahmen den Bericht zum Anlass, ihre Veto-Haltung gegenüber Sofia zu mildern, wie der holländische Immigrationsminister, Fred Teeven, jüngst ankündigte. „Wir müssen mit den übrigen westeuropäischen EU-Ländern über einen Schengen-Beitritt Bulgariens beraten“, forderte er.

Dieses Vorhaben darf angesichts der Blockadehaltung in Berlin als gescheitert betrachtet werden. Und dafür gibt es noch einen weiteren aktuellen Grund: Seit einiger Zeit haben deutsche Städte mit einer massiven Zunahme der Armutseinwanderung aus Bulgarien und Rumänien zu kämpfen. Die Zuwanderer – großteils Roma – haben ab 2014 schon nach drei Monaten Arbeitsnachweis Anspruch auf Sozialleistungen. Das will Friedrich verhindern: Das Freizügigkeitsrecht dürfe nicht missbraucht werden, um Sozialleistungen zu kassieren, sagte er.

In Bukarest gehen angesichts der Blockadehaltung in Berlin die Wogen hoch: Diese sei politisch motiviert, glaubt Premier Victor Ponta. Er hoffe auf eine „Nuancierung“ der deutschen Position nach der Bundestagswahl im September. Die trotzige Aussage seines Außenministers, Titus Corlatean, Rumänien werde auch „ohne Schengen weiterhin gut auskommen“, relativierte Ponta aber: Die Regierung verzichte nicht auf das Ziel des Schengen-Beitritts, sondern warte nur „einen günstigen politischen Kontext“ ab, so der Regierungschef.

Der Beitritt in die visumfreie Schengen-Zone Bulgariens und Rumäniens (seit 2007 Mitgliedstaaten der EU) verzögert sich seit Jahren. Zwar haben die EU-Gremien beiden Ländern die technischen Voraussetzungen schon vor Jahren attestiert. Allerdings hängt der Beitritt von der Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2013)

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