Zypern: Die lange Nacht der Rechner

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Die Euro-Finanzminister wollen das Rettungspaket für die überschuldete Insel auf rund zehn Mrd. Euro schrumpfen – ein schwieriges Unterfangen.

Brüssel. Angesichts der Dimensionen diverser Hilfspakete, die die EU in den vergangenen Jahren geschnürt hat, nimmt sich Zyperns Bedarf bescheiden aus: Rund 17Milliarden Euro braucht die Insel, um die Krise ihres Bankensektors zu bewältigen. Nikosia hat die EU bereits im Sommer 2012 um Hilfe ersucht. Dass seither wenig geschehen ist, hat allerdings nicht ausschließlich mit der Tatsache zu tun, dass sich die Zyprioten in den vergangenen Monaten als reformresistent erwiesen und alle Forderungen – etwa nach Privatisierungen – abgeschmettert haben. Denn auch die potenziellen Geldgeber haben ernsthafte Bedenken.

Zyperns Banken, die im Zuge der Griechenland-Krise in Schieflage geraten sind, hängen wie ein Mühlstein am Hals der Regierung – kein Wunder, macht der Sektor doch das Achtfache von Zyperns BIP aus. Die Institute haben auffallend viele Kunden aus Russland – die Rede ist von einem Drittel aller Konten –, was den Verdacht nährt, dass russische Oligarchen Zypern nützen, um ihre Vermögen zu waschen und Steuern zu umgehen.

Von den 17 Mrd. Euro, die im Gespräch sind, sollen zehn Milliarden an die Banken fließen und der Rest in den Haushalt. Das Problem: Wird das Hilfsprogramm nach dem bisherigen Muster abgewickelt, also über einen Kredit der Troika (EU, IWF, EZB) an Nikosia, explodiert Zyperns Staatsschuld auf 140Prozent des BIPs – eine Dimension, die einen späteren Schuldenschnitt unumgänglich macht. Eine Refinanzierung der Banken unter Umgehung des zyprischen Budgets kommt für Deutschland nicht infrage – und wäre auch formal nicht möglich, solange die EU-Bankenaufsicht nicht einsatzbereit ist.

Die Finanzminister der Eurozone, die sich Freitagnacht wieder einmal mit Zypern befasst haben, stehen also vor der Herausforderung, das Hilfspaket so zu verkleinern, dass Zyperns Schuldenberg nicht ins Unermessliche wächst. Im Vorfeld des gestrigen Treffens war von einem Gesamtvolumen von zehn bis 13 Mrd. Euro die Rede.

Doch eine Redimensionierung ist schwierig, denn alternative Geldquellen sind rar. Die angesprochene Anhebung der Unternehmenssteuer von 10,0 auf 12,5Prozent beispielsweise dürfte nicht mehr als 540 Mio. Euro bringen, rechnet der Thinktank Open Europe vor. Auch jene Milliarde Euro, die durch Privatisierungen eingespielt werden soll, ist fraglich, von Einnahmen aus der zukünftigen Förderung unterseeischer Gasvorkommen ganz zu schweigen.

Die größten Kontroversen dürfte es um die Frage geben, wie sich die Kontoinhaber beteiligen lassen. Im Gespräch ist unter anderem eine einmalige Sondersteuer bzw. die Besteuerung der Zinserträge. Deutschland wünscht sich ein Bail-in – also eine partielle Zwangsenteignung der Kontoinhaber. Das Argument: Deutsche Steuerzahler sollen nicht die Kosten einer Rettung der russischen Millionäre tragen. Kritiker sehen darin einen gefährlichen Präzedenzfall, der in ganz Südeuropa zum Run auf die Banken führen würde. Bleibt also Russland: Zyperns Finanzminister, Michalis Sarris, reist am Montag nach Moskau, um dort um einen Hilfskredit bzw. die Verlängerung bisheriger Hilfen zu werben. Russland hat Zypern bereits 2,5 Mrd. Euro geliehen.

Merkel dämpft Erwartungen

Ob die Euro-Finanzminister dieses Mal auf einen grünen Zweig kommen, ist fraglich. Angela Merkel dämpfte am Freitag die Erwartungen: Ohne ein neues Gutachten der Troika sei kein Hilfsprogramm möglich, „und ich habe bis Mittag noch nichts von der Troika gesehen“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin in Brüssel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)

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