EU-Parlament: "Drei Lobby-Versuche pro Arbeitstag"

HansPeter Martin Mehr 1400
HansPeter Martin Mehr 1400(c) REUTERS (MIRO KUZMANOVIC)
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Gratis-Massagen, Reisen und Abendessen: Mehr als 1400 Angebote will der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin seit 2011 erhalten haben. Im Parlament wird der Ruf nach einer Offenlegung aller Lobby-Kontakte laut.

Eine Reise, Einladungen zum Abendessen oder zu einem Konzert - der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin hat nach eigenen Berechnungen in den vergangenen zwei Jahren Angebote von Lobbyisten im Wert von 65.000 Euro erhalten. "Das ist ein Schätzwert, der zurückhaltend angesetzt wurde", sagte Martin der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. Im Parlament wird nun der Ruf nach einer Offenlegung aller Lobby-Kontakte laut.

Der fraktionslose Martin sammelte in den vergangenen zwei Jahren E-Mails und Briefe von Interessengruppen und kommt nach seiner nun veröffentlichten Zählung auf 1427 Lobby-Interventionen: "Das sind durchschnittlich mehr als drei Lobby-Versuche pro Arbeitstag."

Rund 15.000 EU-Lobbyisten in Brüssel

Martin hat die Anfragen auf seiner Internetseite dokumentiert: Neben 970 Gratis-Verköstigungen listet er auch Reiseeinladungen der chinesischen Regierung, eine Reise nach Aserbaidschan oder das Angebot eines Internetkonzerns zur Entspannung in einem Massagestuhl auf. "Kaum ein Arbeitstag vergeht, an dem Banker, Fondsvertreter und Versicherer nicht zum Essen, Empfang oder zum Konzert einladen", erklärte Martin. Die Anzahl der EU-Lobbyisten in Brüssel werde auf 15.000 geschätzt.

Martin ist kein unbeschriebenes Blatt: Im Jahr 2004 sorgte er für Aufsehen, als er zahlreichen Europaabgeordneten anhand eigener Kameraaufnahmen vorwarf, widerrechtlich Tagesgelder und andere Spesen kassiert zu haben. Das Europaparlament hob kürzlich aber auch die Immunität des Österreichers selbst auf, weil ihm unter anderem vorgeworfen wurde, öffentliche Mittel für die Erstattung von Wahlkampfkosten privat verwendet zu haben.

Martin wies die Anschuldigungen zurück und gibt sich als "Saubermann". Er fordert, dass die EU-Abgeordneten keine Geschenke oder geldwerte Leistungen im Wert von mehr als zehn Euro annehmen. Zudem sollten sie alle Lobby-Kontakte veröffentlichen müssen.

"Abgeordnete werden überschwemmt"

Die Arbeit der Interessenvertreter an sich ist nach Ansicht von Martin und dem deutschen Grünen-Europaabgeordneten Jan Philip Albrecht aber nicht immer schlecht. Allerdings "werden die Abgeordneten mit detaillierten Änderungsanträgen und Aufforderungen zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten regelrecht überschwemmt", kritisierte Martin.

Und die Lobby-Arbeit bleibt offenbar nicht ohne Wirkung. Kürzlich zeigte die Online-Plattform LobbyPlag anhand von Textvergleichen, dass Abgeordnete die Positionen von Konzernen und anderen Lobbyisten in ihren Anträgen zu der EU-Datenschutzreform teilweise Wort für Wort übernahmen.

(APA/AFP)

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