Orbán: „Sie hassen uns einfach“

Hungarian Prime Minister Orban
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Regierungschef Viktor Orbán fährt scharfe Geschütze gegen die EU auf und kritisiert deren Einschreiten in der Frage der Verfassungsänderungen.

Budapest. Während er sich auf der europäischen Bühne einigermaßen handzahm gibt, ließ Viktor Orbán in Ungarn wieder mit stark EU-kritischen Tönen aufhorchen. Dem Regierungschef missfällt es, dass die Europäische Kommission demokratiepolitische Bedenken bezüglich der Verfassungsänderungen angemeldet hat, die von seiner Regierung vor wenigen Wochen verabschiedet worden waren. Orbán scheint der Dauerkritik, die aus der EU seit Jahren auf ihn und seine Regierung niederprasselt, müde zu sein. „In Europa wollen einige offenbar nicht glauben, dass wir mit Messer und Gabel essen können“, sagte er gegenüber dem ungarischen Staatsradio resigniert.

Orbán ließ sich vor allem über das Europäische Parlament aus, wo es erst am vergangenen Mittwoch wieder eine hitzige Debatte über die verfassungsrechtliche Situation in Ungarn gab. Für den Premier ist das Europaparlament „kein europäischer Ort“. Jedes Mal, wenn er sich dort persönlich der Kritik der Abgeordneten gestellt habe, seien die Fakten einfach ignoriert worden. Statt sachlicher Debatten habe er sich wütenden liberalen, grünen und sozialistischen Politikern gegenübergesehen, die „mit hervortretenden Adern und dickem Hals“ drauflosgebrüllt hätten. Laut Orbán wussten diese Abgeordneten vermutlich gar nicht, wo Ungarn liegt. Auch hätten sie offensichtlich jene ungarischen Rechtsregeln nicht gelesen, die sie so scharf kritisierten, sagte er. Sein Resümee: „Eines ist sicher, aus irgendeinem Grund hassen sie uns einfach.“

Der stellvertretende Vorsitzende der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz, Lajos Kósa, schlug in die gleiche Kerbe wie Orbán. Er klagte, dass die EU von „schlechten politischen Vorurteilen“ geleitet werde, die darauf zurückzuführen seien, dass in Europa Linke, Liberale und Grüne den Ton angeben. Kósa wies darauf hin, dass die EU ihren Grundsätzen „auf lächerliche Art und Weise“ zuwiderlaufe.

Als Beispiel nannte er das Vorgehen gegenüber Zypern. Während das Recht auf Privatbesitz ein Grundsatz der EU sei, habe sie der zypriotischen Regierung empfohlen, den Bürgern die Hälfte ihrer Spareinlagen abzuknöpfen, sagte der Fidesz-Politiker. Angesprochen auf das Verhältnis zwischen Ungarn und der EU, erinnerte er daran, dass Brüssel seit dem Antritt der Regierung Orbán 2010 auf sein Land „herabschaut“. Laut Kósa liegt dies wohl daran, dass die Fidesz über eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit verfügt. Auch der stellvertretende ungarische Ministerpräsident, Justizminister Tibor Navracsics, übte dieser Tage Kritik an der EU. Wie Navracsics sagte, sprechen die EU-Beamten immer vom „Gesamtzusammenhang“, wenn sie an Ungarn etwas bemängeln. Konkrete Gesetze nannten sie aber nie. Er monierte, dass in Brüssel ständig darauf gelauert werde, Ungarn der Übertretung von EU-Recht zu überführen. Allerdings sei die Kommission damit nie erfolgreich. Navracsics mutmaßte, dass Brüssel deshalb auf Ungarn herumreite, weil es von seiner Unfähigkeit ablenken wolle, die Krise in der EU zu bewältigen.

Orbán hatte schon früher Kritik an der EU geäußert. Anfang 2011 verglich Orbán Brüssel mit dem Wien der Habsburgermonarchie und Moskau zu Sowjetzeiten. Der Premier sagte: „Wir haben uns weder 1848 dem Diktat Wiens noch 1956 und 1990 dem Diktat Moskaus gebeugt. Jetzt werden wir uns nicht dem Diktat Brüssels beugen.“

Mehr Ungarn skeptisch gegenüber der EU

Die wiederholten Spannungen mit der EU in den vergangenen Jahren scheinen auch der ungarischen Gesellschaft aufs Gemüt geschlagen zu haben. Aus einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Századvég geht hervor, dass die Mehrheit der Ungarn die EU-Mitgliedschaft des Landes negativ beurteilt. 42 Prozent der Befragten gaben an, dass die EU-Mitgliedschaft Ungarn zum Nachteil gereiche, 41 Prozent sagten, dass sie für das Land positiv sei. Zum Vergleich: Im Jänner 2012 betrachteten noch 49 Prozent der Ungarn die EU-Mitgliedschaft als positiv und 38 Prozent als negativ. 54 Prozent der Ungarn vertreten außerdem den Standpunkt, dass die EU gegenüber Ungarn zweierlei Maß anwende.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)

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