Schweiz schließt Grenzen für arbeitsuchende EU-Bürger

Grenzen dicht! Die Schweiz schränkt die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger wieder ein.
Grenzen dicht! Die Schweiz schränkt die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger wieder ein.(c) EPA (karl mathis)
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Wegen des Zustroms von arbeitsuchenden EU-Bürgern in Zeiten der Wirtschaftskrise aktiviert die Regierung in Bern die sogenannte "Ventilklausel", von der auch Österreicher betroffen sind.

Bern/Ag/Wb. Die Schweizer Regierung hat am Mittwoch beschlossen, die Zuwanderung aus EU-Staaten, darunter auch Österreich, einzuschränken. Sie argumentierte, dass ausgelöst von der Wirtschaftskrise in den vergangenen Monaten immer mehr arbeitsuchende EU-Bürger in die Schweiz gedrängt hätten. Mit der Aktivierung der sogenannten Ventilklausel im Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU soll die Zuwanderung „wirtschafts- und gesellschaftsverträglich“ gestaltet werden, teilte die Regierung in Bern mit.

Voraussetzung für das Inkrafttreten der Klausel ist, dass die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen in einem Jahr mindestens zehn Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegt. Konkret geht es um eine Schwelle von 56.268 Personen.

Die Schweiz hatte die Klausel bereits einmal, und zwar 2012 für Angehörige der ost- und mitteleuropäischen EU-Länder, angewandt. Nun soll der Zuzug auch aus dem Rest der EU eingeschränkt werden. Justizministerin Simonetta Sommaruga betonte, dass die Entscheidung „kein unfreundlicher Akt gegenüber der EU“ sei. Sie räumte allerdings auch ein, dass die Aktivierung der Ventilklausel die Probleme der Zuwanderung nicht lösen werde. Es brauche verschiedene weitere Maßnahmen, um diese Probleme zu lösen. Wegen der wachsenden sozialen Ungleichheiten sei die Schweiz „ein Anziehungspunkt“ geworden.

Innenpolitischer Druck

Die Regierung in Bern steht innenpolitisch unter Druck, die Zuwanderung möglichst rasch einzuschränken. Die rechtskonservative SVP fordert mit einem Volksbegehren die Einführung von Höchstzahlen und Kontingenten für Ausländer statt der heutigen Personenfreizügigkeit mit der EU. Der Verein Ecopop fordert mit seiner Initiative „Stopp der Übervölkerung“ die Begrenzung der Zuwanderung auf 0,2Prozent der Bevölkerung, also auf rund 16.000 Personen pro Jahr. Die aktivierte Ventilklausel betrifft die Zuteilung von Daueraufenthaltsbewilligungen. Schon beim Inkraftsetzen für die jüngeren EU-Mitgliedsländer Mittel- und Osteuropas hatte sich herausgestellt, dass sich in der Praxis dieses Instrument nicht dafür eignet, die Zuwanderung nachhaltig zu begrenzen.

So gingen zwar die Bewilligungen für Fünfjahresaufenthalte für Bürger aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenen, Tschechien und Ungarn dank der Aktivierung der Ventilklausel im Jahr 2012 um fast die Hälfte auf rund 3500 zurück. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der nicht kontingentierten Bewilligungen für Kurzaufenthalte um 50Prozent auf rund 15.000.

In Brüssel stößt die Entscheidung in Bern nicht nur deshalb auf Unverständnis. Die Beziehungen haben sich zuletzt auch wegen anderer Differenzen verschlechtert. Streitpunkte sind Steuerdumping und das Bankgeheimnis. Auch hatten die mittelosteuropäischen Staaten im Vorjahr äußerst verärgert auf die Zuwanderungsbeschränkungen reagiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2013)

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