Hollande: Abstieg aus der Europa League

Hollande: Abstieg aus der Europa League
Hollande: Abstieg aus der Europa League(c) REUTERS (POOL)
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Seit dem Amtsantritt des französischen Präsidenten François Hollande vor einem Jahr ist sein Einfluss auf die EU-Politik kontinuierlich geschrumpft. Das liegt nicht nur am vergifteten Verhältnis zu Berlin.

Brüssel/Wien. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ist kein großer Diplomat. Als er diese Woche in einem „Bild“-Interview seine Sorgen über das deutsch-französische Verhältnis äußerte, sagte er plump: Die sozialistische Regierung von Präsident François Hollande „wirtschaftet das Land dermaßen herunter, dass Frankreich derzeit nicht mehr auf Augenhöhe mit Deutschland ist“. Das war ein Fauxpas, auch wenn Brüderle damit eine Einschätzung aussprach, die viele in der EU teilen: Frankreichs Führung ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie für eine tragende Rolle in Europa keine Energien mehr aufbringt.

„Frankreich war schon sehr ruhig, als es um die Rettung Zyperns ging. Es war sehr ruhig beim letzten Europäischen Rat“, sagt Janis Emmanouilidis vom Brüsseler European Policy Centre (EPC) im Gespräch mit der „Presse“. Nach und nach macht sich bei den vermeintlichen Verbündeten in Südeuropa Enttäuschung breit. Die Erwartungen, dass Hollande eine Alternative zum harten Sparkurs bringen werde, haben sich nicht erfüllt.

In Brüsseler Diplomatenkreisen wird Frankreichs Position kaum noch wahrgenommen. Als die EU-Finanzminister an einem Sonntag im März nächtens über ein Rettungspaket für Zypern diskutierten, schlief der französische Minister Pierre Moscovici ein. Sein Nickerchen wurde zum Symbol der Abwesenheit der französischen Politik.

„Schlimm, dass von Paris wenig zu hören ist. Noch schlimmer aber, dass nicht klar ist, was Paris überhaupt will“, so Emmanouilidis. Konkrete Vorschläge aus dem Elysée seien seit Monaten ausgeblieben. Der EPC-Experte schlägt in dieselbe Kerbe wie Brüderle und macht unter anderem die wirtschaftliche Situation in Frankreich dafür verantwortlich. „Wir haben einen Akteur, der in seinem eigenen Haus eine Schwäche hat, was die ökonomische Entwicklung betrifft. Das macht es für ihn besonders schwer zu vermitteln, er habe eine Alternative anzubieten.“

Die andere Frage ist, welche Alternative Hollande überhaupt bieten kann. Im Wahlkampf hat er eine Neuverhandlung des Fiskalpakts versprochen, der die Euroländer dazu verpflichtet, ihre Haushalte systematisch in Ordnung zu bringen. Doch das einzige Zugeständnis, das ihm die EU-Partner gewährten, war die Ergänzung mit einem Beschäftigungs- und Wachstumspakt, für den es dann kaum ausreichende Mittel gab. Wachstum versus Sparen? „Es ist kein Entweder-oder“, analysiert Emmanouilidis. „Es geht derzeit vielmehr darum, die richtige Balance zu finden. Hollands ursprünglicher Ansatz, wir switchen jetzt von Austerität auf Wachstum, war nie sehr glaubwürdig.“ In den Südländern hätte es für den französischen Präsidenten dennoch Möglichkeiten gegeben, für einen sanften Kurswechsel Verbündete zu finden. „Aber Paris ist derzeit einfach zu schwach.“ Es gebe für diese Regierungen keine große Hoffnung, mit Frankreich gestärkt aufzutreten.

Das betrifft freilich auch die deutsche Führung. Die historische Achse Paris/Berlin läuft alles andere als rund. Zwar wird in Berlin mit Sorge registriert, dass sich Frankreich selbst ins Out manövriert. Gleichzeitig lösen die zunehmenden Anfeindungen der deutschen Politik durch Frankreichs Sozialisten aber Irritationen aus. Als jüngst ein Positionspapier von Hollandes Partei an die Öffentlichkeit geriet, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel „egoistische Kompromisslosigkeit“ vorgeworfen wird, musste Frankreichs Premierminister, Jean-Marc Ayrault, die diplomatischen Wogen glätten. Er sprach sich ausdrücklich – und das sogar in deutscher Sprache – für eine Fortsetzung des engen Dialogs mit Berlin aus.

Stillstand bis September

Den dürfte es allerdings bis nach den deutschen Wahlen im September kaum intensiv geben. Holland hofft unverhohlen auf einen Machtwechsel in Berlin und Merkel sieht derzeit keinen innenpolitischen Vorteil darin, mit dem französischen Präsidenten eine gemeinsame Europapolitik zu formulieren. Die für den Juni-Gipfel in Aussicht gestellten Entscheidungen über die Vorbereitung einer nächsten großen EU-Reform dürften deshalb bis Jahresende auf Eis gelegt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

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