Die Franzosen sind die wahren Deutschen

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Franzosen Deutschen(c) EPA (JOHANNES EISELE / POOL)
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Das Pew-Institut stellt gängige Vorurteile auf den Kopf: In Frankreich sind Krisenhilfen umstrittener und der Schuldenabbau populärer als in Deutschland.

Berlin/Wien/Gau/Ag. Was sagt man den Deutschen in der EU nicht alles nach! Dass sie besessen aufs Sparen sind und ihnen Schulden als das größte Übel gelten. Dass sie nichts mehr fürchten als Inflation. Dass sie als reichste Euro-Nation den Krisenländern nicht helfen wollen, und wenn sie es doch tun, dann nur unter strengem Diktat. Dass Kanzlerin Merkel damit allen eine Doktrin des „Kaputtsparens“ aufzwingt und dafür im Rest Europas gehasst wird. Weil die Nichtdeutschen in der EU eben ganz anders ticken als die Deutschen.

Alles nicht wahr, zeigt eine große Umfrage des amerikanischen Pew-Instituts in acht europäischen Ländern. Denn siehe da: Von den Bürgern der drei „reichen“ Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind allein die Deutschen mehrheitlich (zu 52Prozent) bereit, Krisenstaaten finanziell zu unterstützen. Die Franzosen sind es nur zu 40 Prozent. 2010 war es freilich noch genau umgekehrt. Was sich erklären lässt: Den Deutschen geht es weiter gut, sie merken, dass ihnen die geleistete Hilfe nicht geschadet hat. Frankreich aber steht wirtschaftlich immer schlechter da, und so manche Franzosen bringen das wohl auch damit in Verbindung, dass die zweitgrößte Portion an Hilfsgeldern von ihnen stammt.

Und das Sparen? Nord und Süd sind sich einig: Die Schulden müssen abgebaut werden. Mehr noch: Fast alle (außer den Griechen und Polen) sind überzeugt, dass Sparen, kombiniert mit Reformen, der richtige Weg aus der Krise ist – und nicht etwa mit neuen Schulden finanzierte Ausgabenprogramme zur Ankurbelung der Wirtschaft. Am höchsten im Kurs steht das Sparen nicht etwa in Deutschland (67 Prozent), sondern in Frankreich (81 Prozent) – obwohl dort erst vor einem Jahr ein sozialistischer Präsident an die Macht kam, der sich mit einer „Wachstumsagenda“ gegen die „deutsche Austeritätspolitik“ stemmen wollte. Nach einem Jahr Hollande im Amt sind sich die Franzosen offenbar sicher, dass dies der falsche Weg wäre.

So überrascht es auch nicht, wie Angela Merkel tatsächlich gesehen wird. Vor einem Jahr war sie in allen Ländern der Umfrage (außer in Griechenland) die mit Abstand beliebteste Regierungschefin. Nun beurteilen die Spanier und Italiener sie zwar um einiges kritischer, aber lieber als ihre eigenen Staatsmänner wäre ihnen die deutsche Kanzlerin allemal.

Stark abgenommen hat in Südeuropa und Frankreich der Glaube an die Segnungen des Binnenmarktes und die EU als Institution. Nur in Deutschland sieht man die Union noch positiver als vor drei Jahren und ist sogar mehrheitlich bereit, Brüssel mehr Macht zur Bewältigung der Eurokrise zu geben.

Überhaupt machen sich die erfolgreichen Deutschen keine großen Sorgen. Die mit 80 Prozent auch bei ihnen zu hohe Schuldenquote bereitet nur einem guten Drittel von ihnen Kopfzerbrechen, während die Polen und Tschechen ihre weit geringeren Schulden mehrheitlich als sehr ernstes Problem sehen. Noch erstaunlicher: Nur 31 Prozent der Deutschen machen sich echte Sorgen wegen der Inflation – der niedrigste Wert aller acht Länder, kein Vergleich zu den Italienern (84 Prozent) oder Spaniern (77 Prozent). Aber doch verständlich: Wer immer wenig Geld in der Tasche hat, dem fällt jede Teuerung schmerzlicher auf als einem, dem es immer besser geht.

Vertrauen in den Euro steigt

Auch in Österreich wurde dieser Tage eine Umfrage durchgeführt – mit klarem Ergebnis: Das Vertrauen der Bevölkerung in den Euro ist gestiegen. „Zwei Drittel sind der Ansicht, dass die gemeinsame Währung Bestand haben wird“, sagt Paul Schmidt von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. 51 Prozent haben Vertrauen in die Gemeinschaftswährung – das sind um 13 Prozentpunkte mehr als letzten Herbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2013)

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