Europaparlament: Die Einzelkämpfer im Plenum

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Europaparlament(c) EPA (CHRISTOPHE KARABA)
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Abseits der großen europäischen Parteifamilien versuchen fraktionslose österreichische Abgeordnete, ihre Themen durchzubringen.

Brüssel. Wer an die Arbeit im Europaparlament denkt, denkt zunächst einmal an die großen Parteifamilien, die das Plenum dominieren, allen voran die Europäische Volkspartei EPP und die Allianz der Sozialisten und Demokraten S&D. Doch zwischen diesen ohnehin nicht monolithischen Machtblöcken gibt es genug Raum für Abgeordnete, die sich als (mehr oder weniger freiwillige) Solisten durch den parlamentarischen Dschungel schlagen. Diese Einzelkämpfer finden sich auch unter den 19 österreichischen Europaparlamentariern – und sie lassen sich trotz ihres Einzelkämpfertums sauber in drei Kategorien einteilen.

Ewald Stadler beispielsweise zählt zur ersten Kategorie: Er ist in Österreich politisch verankert und im EU-Parlament fraktionslos – wobei dieser Zustand nicht primär gewollt, sondern dem Abstimmungsverhalten eines slowakischen Europaabgeordneten geschuldet ist. Denn der BZÖ-Politiker wollte bei der nationalkonservativen Parlamentsfraktion EFD andocken, der Beitritt scheiterte aber am Veto des einzigen Slowaken in der 34-köpfigen Gruppe – einem Mitglied der Slowakischen Nationalpartei SNS. „Und die SNS hat ein Abkommen mit der FPÖ“, mutmaßt Stadler.

„Ersatzreligion Europäismus“

Und so kämpft er im Alleingang gegen die Bestrebungen der EU an, „über den Euro eine Staatlichkeit zu erzwingen“, stemmt sich gegen die „Regulierungswut“ der „europäischen Hochbürokratie“, die „Kleines zu groß und Großes zu klein“ regelt, und warnt vor der „Ersatzreligion Europäismus“. Nach den Vorstellungen seiner Partei soll Stadler im bevorstehenden Nationalratswahlkampf eine prominente Rolle spielen – er ist sozusagen jener „Fuß im EU-Parlament“, von dem BZÖ-Chef Josef Bucher zuletzt gesprochen hat.

Dieser Kelch wird an Angelika Werthmann vorübergehen – sie gehört nämlich zur zweiten Kategorie der Einzelkämpfer: daheim nicht verwurzelt, dafür aber Mitglied einer europäischen Parteifamilie. In Werthmanns Fall ist es die liberale Fraktion, der sie seit Mitte 2012 angehört. Ihr ursprüngliches Ticket nach Brüssel, die „Liste Dr. Martin“, hat sich ohnehin längst atomisiert. Im Schoß der Liberalen hat sich Werthmann unter anderem auf feministische Themen spezialisiert – sie setzt sich beispielsweise für Frauen mit Behinderungen ein und nimmt nahezu monatlich an parlamentarischen Delegationen nach Südeuropa teil, um sich vor Ort ein Bild von der Lage der Frauen zu machen. Die Destinationen der letzten Monate: Spanien, Portugal, Zypern.

Mit der herannahenden Europawahl 2014 stellt sich allerdings die Frage nach der politischen Zukunft. Werthmann will zunächst einmal die österreichische Nationalratswahl im Herbst abwarten, bevor sie Karrierepläne schmiedet. Sie habe zwar in Österreich momentan keinen politischen Rückhalt – „doch in erster Linie zählen der Mensch und die Inhalte“.

„Nicht einsam, sondern frei“

Auch für Werthmanns ehemaligen Listenkollegen Martin Ehrenhauser stehen die Inhalte im Vordergrund – vor allem Datenschutz und EU-Haushalt. Ehrenhauser zählt zur seltenen dritten Kategorie, von der es im EU-Parlament nur rund 30 Vertreter gibt: Er ist sowohl in der Heimat als auch in Brüssel fraktionslos und muss „hart arbeiten“, um im Plenum ernst genommen zu werden.

In ideologischer Hinsicht fühlt sich Ehrenhauser am ehesten zu den neuen politischen Gruppierungen Neos und Piraten hingezogen – den „Gegenentwürfen zu Frank Stronach“. Ob eine Zusammenarbeit möglich ist, werde sich aber erst nach der Nationalratswahl weisen. Ehrenhauser selbst will jedenfalls 2014 erneut für das EU-Parlament kandidieren. Und fühlt er sich im Brüsseler Parlamentsalltag nicht manchmal einsam? „Ich würde es nicht einsam nennen, sondern frei.“

Stadler, Werthmann, Ehrenhauser: Drei Stadien der Einsamkeit

Ewald Stadler kämpft im Namen
des BZÖ gegen die „Regulierungswut“ der „europäischen
Hochbürokratie“.[Clemens Fabry]

Angelika Werthmann hat bei der liberalen Fraktion im EU-Parlament ihre Heimat gefunden. Ihr Anliegen sind Frauenthemen. [EPA]

Martin Ehrenhauser ist fraktionslos und hat auch in Österreich keine politische Heimat. Er beschäftigt
sich u. a. mit Datenschutz. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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