Junge Arbeitslose: Streit statt Lösung

Junge Arbeitslose Streit
Junge Arbeitslose Streit (c) REUTERS (THOMAS PETER)
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Die Kommission wehrt sich gegen die Kritik des deutschen Finanzministers, mitverantwortlich für schleppende Fortschritte bei der Jugendarbeitslosigkeit zu sein.

Wien/Brüssel/Aga/Ag. Dass Wolfgang Schäuble kein besonders zimperlicher Mann beim Austeilen von harschen Worten ist, daran hat man sich in Brüssel mittlerweile gewöhnt. Die offene Kritik des deutschen Finanzministers am Vorgehen der EU-Kommission gegen die rapide steigende Jugendarbeitslosigkeit in Europa aber will man in der Behörde nicht so einfach auf sich sitzen lassen.

Beamte bezeichneten die Aussagen Schäubles gegenüber dem Onlineportal „EurActiv“ als „grundlos“, „irritierend“ und „gefährlich“. Deutschland stehe wegen seines Sparkurses seit Monaten unter Beschuss der südeuropäischen Krisenländer und wolle nun stattdessen die Kommission zum Sündenbock machen, lautet der Vorwurf.

Was ist geschehen? Schäuble hat der Kommission auf dem WDR-Europaforum in Berlin vor zwei Wochen angekreidet, mitverantwortlich für schleppende Fortschritte gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu sein. „Ärgerlich“ zeigte sich der Finanzminister insbesondere wegen verzögerter Hilfen für Griechenland und Portugal. Im Falle Griechenlands habe es Kommissionspräsident José Manuel Barroso verabsäumt, die Zuständigkeiten zu bündeln: „Am Ende geschieht nichts, weil sie sich gegenseitig blockieren“, meinte Schäuble in Anspielung auf unterschiedliche Zuständigkeiten der Kommissare.

Stimmt nicht, konterten mehrere höhere EU-Beamte gegenüber „EurActiv“. „Währungskommissar Olli Rehn ist verantwortlich für Griechenland und hat auch die volle Entscheidungskompetenz.“ Es wäre „interessant zu wissen, ob die Worte Schäubles ein persönlicher Ausrutscher waren oder die deutsche Regierung tatsächlich glaubt, dass die Kommission eine ineffiziente und schwache Krisenpolitik betreibt“, so einer der Beamten.

Deutsch-französische Initiative

Schäuble selbst reagierte auf die Kritik an seinen Äußerungen bisher nicht. Gestern, Dienstag, reiste er gemeinsam mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nach Paris, um dort mit den französischen Ministern Pierre Moscovici und Michel Sapin eine bilaterale Initiative zur Jugendarbeitslosigkeit vorzustellen. Deutschland und Frankreich sind sich einig, dass die Mitgliedstaaten bei diesem drängenden Thema noch mehr gemeinsame Arbeit leisten müssen.

„Wir können Europa nicht bauen, indem wir einer ganzen Generation sagen, ihr müsst zehn Jahre lang warten. Deswegen müssen wir jetzt schneller machen“, so Schäuble. Der Vorstoß aus Berlin und Paris umfasst günstigere Kredite für kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund „exorbitant hoher Zinsen“ oft in einen Teufelskreis gerieten und deshalb keine neuen Arbeitsplätze schaffen konnten. Auch die duale Ausbildung – in Deutschland wie Österreich heute bereits gängige Praxis – soll in ganz Europa gefördert werden.

Das duale Ausbildungssystem war gestern auch Gesprächsthema bei einem Treffen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und Bundeskanzler Werner Faymann in Madrid. Rajoy möchte das österreichische System kopieren, damit junge Spanier wieder eine Berufsperspektive erhalten: Die Jugendarbeitslosigkeit im südeuropäischen Land beträgt 56 Prozent, in Österreich nur 7,6 Prozent. Europaweit stehen sechs Millionen junge Menschen auf der Straße.

Mobilität erhöhen

Da die Möglichkeiten für junge Arbeitssuchende in den europäischen Mitgliedstaaten ungleich verteilt sind, wollen Berlin und Paris auch die Mobilität für Auszubildende erhöhen. Allein in Deutschland gibt es rund 31.000 freie Lehrstellen.

Mehr Geld werde bei der Initiative zwar nicht zur Verfügung gestellt, so von der Leyen. Essenziell sei es aber, die Mittel besser einzusetzen. Im EU-Budget für die Jahre 2014 bis 2020 sind sechs Milliarden Euro für die von der Kommission initiierte Jugendinitiative veranschlagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2013)

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