EU-Datenschutz fällt Lobbyisten zum Opfer

EUDatenschutzreform oesterreich aeussert Bedenken
EUDatenschutzreform oesterreich aeussert Bedenken(c) REUTERS (� Kacper Pempel / Reuters)
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Der Schutz persönlicher Daten wurde verwässert. Neue Regeln für alle Internetunternehmen rücken in weite Ferne.

[Wien/Luxemburg] Am Ende bleibt nichts als ein völlig verwässerter Gesetzestext. Der Europäischen Datenschutzreform, Steckenpferd von Justizkommissarin Viviane Reding, droht die totale Aushöhlung. Tausende Lobbyisten großer Internetfirmen intervenieren in Brüssel und Straßburg seit Monaten gegen die ambitionierte Vorlage der Kommission, die unter anderem das „Recht auf Vergessenwerden" im Internet fordert. Schon jetzt lässt sich sagen: Die geplante Umsetzung des Gesetzes im Jänner 2016 ist illusorisch. In EU-Parlament und Ministerräten, wo die Reform derzeit verhandelt wird, gehen die Auffassungen über die nötige Tragweite einer Neuregelung bisweilen diametral auseinander.

Eine gemeinsame Erklärung der Justizminister wollten am gestrigen Donnerstag in Luxemburg mehrere Staaten - darunter auch Österreich - nicht mittragen. „Unter irischem Ratsvorsitz ist das Niveau im Vergleich zum Kommissionsentwurf niedriger geworden", betonte Christian Wigand, Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl, in einem Gespräch mit der „Presse". Deshalb habe Österreich neben Deutschland, Frankreich, Schweden und anderen Staaten die Zustimmung zu einem generellen Grundkonsens auf Ministerebene verweigert. „Wir haben hohe Standards im eigenen Land und wünschen uns das gleiche auch auf europäischer Ebene", so Wigand.

Bewusste Weitergabe von Daten

Zu den strittigen Punkten gehören das oben erwähnte „Recht auf Vergessenwerden" im Internet, wodurch Informationen mit Personenbezug nach einer bestimmten Frist automatisch gelöscht werden sollen. Auch die Anonymisierung privater Daten sowie mehrere Vorgaben für Betriebe sind noch ungeklärt. Nach derzeitigem Stand müssten Unternehmen keinen Datenschutzbeauftragten einrichten, wie dies die Kommission fordert, sondern hätten nur freiwillig diese Möglichkeit. Die Behörde will zudem entgegen dem Willen der Industrielobby durchsetzen, dass jeder Bürger der Weitergabe seiner Daten aktiv zustimmen muss und das nicht wie bisher automatisch geschieht.

Das Bundeskanzleramt, das für die Datenschutzreform inhaltlich zuständig ist, beurteilt den Kommissionsvorschlag positiv und meldet auf Anfrage der „Presse" angesichts der Eile des irischen Ratsvorsitzes Bedenken an: Irland versuche, die Verhandlungen zu beschleunigen und über einige Bereiche bereits politische Schlussfolgerungen und Festlegungen herbeizuführen. „Das ist aus Sicht Österreichs zu früh, da durch solche Festlegungen Entscheidungen getroffen werden, die im Nachhinein fast nicht mehr umkehrbar sind", heißt es. Die Neuregelung dürfe keinesfalls hinter das Niveau der derzeit geltenden Bestimmungen aus dem Jahr 1995 zurück fallen, die die Ausgestaltung des Datenschutzrechts praktisch jedem Land selbst überlassen. Derzeit können sich große Unternehmen im digitalen Bereich aussuchen, nach welchem Recht sie agieren wollen.

Staaten wie Irland, die im Vergleich zu Österreich schwache Datenschutzbestimmungen haben, profitieren davon. Doch auch Großbritannien geht die geplante Reform zu weit. Justizminister Chris Gayling warnte vor „gewaltigen Auswirkungen" für die Unternehmen. Wenn diese zu stark belastet würden, leide die Wettbewerbsfähigkeit und Europa drohe ein Verlust von Arbeitsplätzen.

Zahlreiche Änderungsanträge

Doch nicht nur auf Ebene der Mitgliedstaaten, auch im EU-Parlament droht der Reformvorschlag zu kippen. Zahlreiche Abgeordnete haben bereits Änderungsanträge eingebracht. „Die Wankelmütigen werden gerade von der Industrie eingenordet", bedauerte der Grüne Berichterstatter Jan Philipp Albrecht im „Spiegel". Noch vor einigen Wochen hatte Albrecht in einem Gespräch mit der „Presse" seine Hoffnung betont, im ersten Halbjahr 2013 eine Einigung über das Gesetz zwischen Parlament und Ministerrat zu finden. Diese rückt nun weit in die Ferne.

(PA)

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