Brüssel und Paris im Clinch um US-Freihandelszone

Bruessel Paris Clinch US Freihandelszone
Bruessel Paris Clinch US Freihandelszone(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Frankreich will mit den USA nicht über den Kulturbereich verhandeln, die EU-Kommission will sich die Vorschläge aus Washington zumindest anhören. Nun kritisieren sich Barroso und die Regierung in Paris gegenseitig.

Wien/Aga/Ag. Die geplante Freihandelszone mit den USA sorgt für unterkühlte Stimmung zwischen Brüssel und Paris: EU-Kommission und Frankreich legen die Einigung der Mitgliedstaaten über die Freigabe für Gespräche mit Washington unterschiedlich aus, was für Verärgerung auf beiden Seiten sorgt.

Paris hatte bei dem Ministerrat am Freitag vergangener Woche darauf bestanden, dass der Kultursektor von den Verhandlungen ausgenommen wird. Dieser Forderung wurde zwar stattgegeben – allerdings mit Interpretationsspielraum. Handelskommissar Karel de Gucht will Vorschläge der USA auch in diesem Bereich zumindest anhören und dann die Mitgliedstaaten darüber abstimmen lassen. Die Regierung in Paris widerspricht vehement: Sollte Washington über den Kultursektor reden wollen, müsse das gesamte Verhandlungsmandat der Kommission neu diskutiert werden, betonte die französische Außenhandelsministerin Nicole Bricq – „und Frankreich wird Nein sagen“, drohte sie.

Handelspolitik „rückschrittlich“?

Zusätzliches Salz in die Wunde streute Kommissionspräsident José Manuel Barroso am darauffolgenden Sonntag in einem Interview mit der US-Zeitung „International Herald Tribune“, in dem er die französische Handelspolitik als „rückschrittlich“ bezeichnete. Einige französische Filmschaffende hätten „kein Verständnis von den Vorteilen, die die Globalisierung bringt“, so Barroso weiter.

Die Empörung über die unverhohlen ausgesprochene Kritik des Kommissionspräsidenten ist seither groß. Jean-Christophe Cambadelis, Abgeordneter der regierenden Sozialisten, forderte gar Barrosos Rücktritt, sollte er seine Worte nicht zurücknehmen. Auch die französische Kulturministerin Aurélie Filippetti und Finanzminister Pierre Moscovici sind verärgert: Die Europäischen Institutionen müssten die französische Position respektieren, forderten sie.

Frankreich betrachtet die Filmbranche traditionell als wichtigen Bestandteil seiner kulturellen Identität, die von Hollywood untergraben werde – daher auch die Vetodrohung, sollte der Kultursektor von den Verhandlungen über eine US-Freihandelszone nicht ausgenommen werden. Doch mit der derzeitigen Einigung wurde der Streit nur auf die lange Bank geschoben. De Gucht und mehrere Mitgliedstaaten wollen die audiovisuellen Dienste zu einem späteren Zeitpunkt zu dem Mandat hinzufügen.

Zweifel an baldigem Abschluss

Der neue Zwist über die Auslegung des Verhandlungsmandats könnte den Prozess nun weiter erschweren. Bricq bezweifelte, „dass diese Sache binnen zwei Jahren abgeschlossen wird“. Sie verwies auf Verhandlungen mit Kanada, die bereits seit fünf Jahren liefen, ohne dass eine Einigung erzielt worden wäre. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte hingegen am Montag aufs Tempo gedrückt. Die Gespräche müssten rasch beginnen und ehrgeizig geführt werden, „damit wir in absehbarer Zeit – und das bemisst sich in wenigen Jahren – zu einem Abschluss kommen können“, sagte Merkel am Rande des G8-Gipfels in Nordirland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)

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