Kroatien: Längste Außengrenze der EU

Kroatien Laengste Aussengrenze
Kroatien Laengste Aussengrenze(C) THOMAS ROSER
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Dem Schulterschluss mit der EU steht die Abgrenzung zu den meisten ex-jugoslawischen Bruderstaaten gegenüber.

Obrezje/Bregana. Zumindest mit zwei seiner vier Beine prangt der wuchtige Billardtisch auf dem Territorium des künftigen EU-Mitglieds. Die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien, die das auf Wildgerichte spezialisierte Gasthaus im slowenischen Obrezje seit 1991 durchschneidet, hat dessen Betreibern bisher nur Ärger beschert. Seit Sloweniens Schengen-Beitritt im Jahr 2007 wurden die Grenzkontrollen weiter verschärft. Das hat nicht nur Autofahrer, sondern vor allem die einstige Stammkundschaft in Kroatien nachhaltig verschreckt. „Uns würde es schon viel bringen, wenn der Grenzübergang für die Anwohner wieder geöffnet würde“, sagt die dunkelhaarige Kellnerin Mira Brajs mit Blick auf die mit Blumentöpfen verstellte Brücke ins kroatische Bregana.

Kroatiens Grenzen zu den bisherigen EU-Mitgliedern Slowenien und Ungarn öffnen sich mit dem Beitritt des Adria-Staats am 1. Juli zumindest teilweise (Schengen-Mitglied ist das Land noch nicht). Gleichzeitig grenzt sich Kroatien als künftiger Hüter über den größten Abschnitt der EU-Außengrenzen nachdrücklich von seinen ex-jugoslawischen Bruderstaaten ab. „Wir haben uns jahrelang vorbereitet, damit wir morgen bereit sind“, versichert Dragan Babović, der Chef von Kroatiens Grenzpolizei in Zagreb: „Wir schützen nun nicht nur die Sicherheit unserer Grenzen, sondern auch die der EU.“

Wie ein Hufeisen legt sich Kroatien um Bosnien-Herzegowina. Das nördliche Slawonien grenzt im Osten an den EU-Anwärter Serbien, das südliche Dalmatien an Montenegro an: Mit insgesamt 1376 Kilometern an Landes- und 950 Kilometern an Seegrenze hat der EU-Neuling über den größten Abschnitt der EU-Außengrenzen zu wachen. Wird Kroatien die „weiche“ Südostflanke der EU, das offene Einfallstor für die berüchtigten Menschen- und Drogenhändlerringe auf dem Balkan? „Nein“, sagt Polizeichef Babović entschieden. Die seit über zehn Jahren laufenden Vorbereitungen seien „mühsam“ und die technische Aufrüstung der Grenzübergänge trotz EU-Hilfen ein „finanzieller Kraftakt“ gewesen: „Aber wir sind bereit.“

Schengen-Beitritt in zwei Jahren

Noch ist Kroatiens Schengen-Beitritt erst in zwei Jahren anvisiert. Für Schlepper und Drogenschmuggler wird sich darum zunächst nur wenig ändern. Die Routen der Schlepperbanden von Zentralasien und aus dem Nahen Osten nach Westeuropa würden weiter vor allem via Serbien und Ungarn laufen, verweist Babović auf die Erkenntnisse der EU-Grenzschutzagentur Frontex: Ein zusätzlicher Grenzübertritt nach Kroatien ergebe für diese „keinen Sinn“, da die Kontrollen an der Schengen-Grenze zu Slowenien und Ungarn vorläufig bestehen blieben. Die Seegrenzen des Landes wiederum seien gemeinsam mit Italien relativ problemlos zu schützen: „Die Adria ist wie ein großer See – und lässt sich an ihrem Zugang im Süden mit Kontrollen leicht überwachen.“

Dennoch löst Kroatiens EU-Beitritt bei den früheren ex-jugoslawischen Bruderstaaten Zweifel und Unbehagen aus. Zwar wurden fast alle bilateralen Dauerkonflikte mit Slowenien während der von Ljubljana zeitweise blockierten Beitrittsverhandlungen gelöst oder auf Eis gelegt. Doch nicht nur wegen des bereits begonnenen Zanks um die Namensrechte an der Krainer Wurst oder dem Teran-Wein rechnet der Zagreber Analyst Davor Gjenero auch in der EU mit einer eher kühlen Nachbarschaftsehe.

Wie Slowenien versteht sich auch Kroatien als „Anwalt“ einer weiteren EU-Erweiterung. Eher Skepsis löst diese Ankündigung jedoch in Bosnien-Herzegowina aus. Zagreb werde gegenüber Sarajevo als EU-Mitglied wesentlich entschiedener die eigenen Interessen vertreten, meint Esad Hecimović, politischer Redakteur in Sarajevo. Die EU-Annäherung des Vielvölkerstaats ist wegen der politischen Selbstblockade völlig festgefahren: Weder auf Verfassungsreformen noch auf die Absegnung des Grenzabkommens mit Kroatien verstehen sich Bosniens streitbare Politiker zu einigen. Alles sei für die geschäftstüchtige Kaste „wichtiger als die EU“, konstatiert Hecimović. Während die bosnischen Serben wenigstens baldigen Beitrittsverhandlungen ihres Mutterlandes entgegensehen, würden viele seiner muslimischen Landsleute es sich selbst übel nehmen, dass sie während des Kriegs nicht geflüchtet seien: „Wir fühlen uns verraten. Das ist ein deprimierendes und sehr bitteres Gefühl.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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