Politischer Umbruch bei Europawahl 2014

Politischer Umbruch Europawahl 2014
Politischer Umbruch Europawahl 2014(c) EPA (PATRICK SEEGER)
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Die Europäische Volkspartei könnte deutlich verlieren, die Sozialdemokraten könnten eventuell sogar stärkste Kraft werden. Fest steht, dass das nächste Europaparlament deutlich europaskeptischer werden wird.

Wien/Brüssel. „In vielen Ländern steigen die Ausländerfeindlichkeit, der Populismus und der Rassismus“, warnte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström Ende vergangener Woche bei einem Treffen der EU-Innenminister im litauischen Vilnius. Das, so machte die Schwedin klar, werde auch seine Auswirkungen auf die neuen Machtverhältnisse im Europaparlament haben. Wenn im Mai 2014 Europawahlen stattfinden, wird tatsächlich mit einem politischen Umbruch gerechnet. Die Krise dürfte die bisherige politische Ordnung deutlich durcheinanderwürfeln. „Wir werden eine Radikalisierung des Parteienspektrums erleben“, prognostiziert Paul Schmidt von der Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

In den großen Fraktionen und auch vom Europaparlament selbst wurde kürzlich mit ersten Trendanalysen begonnen. Noch sind die Ergebnisse unscharf, aber sie enthalten logische Entwicklungen, die sich aus den letzten Wahltrends und Umfragen ergeben. Es wird damit gerechnet, dass die bisher größte Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP), zwischen 40 und 50 Sitze verliert. Grund sind Zustimmungseinbrüche der Mitte-rechts-Parteien zum Beispiel in Ungarn, wo die Fidesz unter Viktor Orbán Machtausweitung in staatlichen Institutionen betreibt und die Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommt. Ebenso könnte es den Christdemokraten in Spanien unter Ministerpräsident Mariano Rajoy ergehen, die in einen Spendenskandal verwickelt sind und ebenfalls in den Mühlen der Krise zerrieben werden.

Europawahl 2014
Europawahl 2014(C) DiePresse

Leichte Verluste für Grüne

Verliert die EVP stark, könnten die Sozialdemokraten (S&D-Fraktion) wieder zur stärksten Gruppe aufsteigen. Derzeit wird ihr ein Potenzial von bis zu 220 Sitzen zugeschrieben. „Labour in Großbritannien könnte zulegen, auch unsere Parteien in Deutschland und Italien könnten Zugewinne verzeichnen“, so Hannes Swoboda, SPÖ-Europaabgeordneter und derzeitiger Vorsitzender der S&D-Fraktion.

Gleichzeitig dürften die Sozialdemokraten aber in einigen Ländern Einbußen hinnehmen – so etwa in Frankreich, wo Präsident François Hollande seine Wahlversprechen nicht halten konnte. Hier dürften die Sozialisten Stimmen an die Linksfront verlieren. Ähnlich ist die Lage in Griechenland, wo das Linksbündnis Syriza frustrierte Sozialdemokraten der Pasok auffängt.

Leichte Verluste werden bei den Grünen und den Liberalen erwartet. Die Grünen könnten in Frankreich zum Opfer ihrer eigenen Querelen rund um den Bruch mit Daniel Cohn-Bendit werden. In Deutschland wiederum drohen den Liberalen bei den nächsten Europawahlen leichte Verluste.

Nutznießer der Krise – darüber sind sich alle Analysten im Europaparlament einig – werden radikale Kräfte vom linken und rechten Rand sein. Die linke Fraktion könnte durch Zugewinne in den Krisenländern künftig deutlich europaskeptischer ausgerichtet sein. Ähnliches ist bei der von den britischen Torys begründeten konservativen Fraktion möglich.

Das rechtsnationale Lager wird ebenfalls gestärkt werden. In Großbritannien könnte von der wachsenden europaskeptischen Stimmung die nationalistisch orientierte UK Independence Party (Ukip) profitieren. Parteiführer Nigel Farage hofft sogar, dass seine Gruppe bei den Europawahlen im Mai 2014 die stärkte Kraft aus Großbritannien werden könnte. „Wir könnten die meiste Zustimmung erhalten. Ich denke, das ist eine durchaus realistische Annahme.“ Zugewinne werden auch für rechtsradikale Parteien zum Beispiel in Ungarn (Jobbik), Finnland (Wahre Finnen), Griechenland (Goldene Morgenröte) oder in Bulgarien (Ataka) erwartet. Allerdings hat sich diese Gruppe im Europaparlament bisher immer selbst geschwächt, weil es ihr nicht gelungen ist, eine gemeinsame Fraktion aufzubauen.

Wahlbeteiligung könnte steigen

Die Krise habe aber nicht nur radikale Kräfte gestärkt. Sie habe auch das Interesse an Europathemen geweckt, ist Paul Schmidt überzeugt. Der ÖGfE-Generalsekretär erwartet erstmals wieder eine höhere Wahlbeteiligung. 2009 lag sie im Durchschnitt aller beteiligten EU-Länder bei lediglich 43 Prozent – dem historischen Tiefststand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2013)

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