Lobbyingschlacht um Tabakrichtlinie

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Die Abstimmung über strengere Auflagen zum Schutz jugendlicher Konsumenten wurde verschoben – zur Freude der Tabakindustrie.

Brüssel/Wien. Für gewöhnlich werden Gesetzesinitiativen, die von den EU-Mitgliedsländern bereits akkordiert wurden, im Europaparlament nicht auf die lange Bank geschoben. Die Tabakrichtlinie stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar: Die für den kommenden Montag angesetzte Debatte über den Gesetzestext samt Abstimmung am Dienstag wurde vor wenigen Tagen verschoben – voraussichtlich auf die Plenarsitzung in der ersten Oktoberwoche. Dabei hatten sich die Gesundheitsminister der Union bereits im Juni auf die Reform geeinigt.

Die bestehende Richtlinie stammt aus dem Jahr 2001 und gilt angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über Zigarettenkonsum – vor allem was die Schädlichkeit der Zusatzstoffe anbelangt– als überholt. Nachdem EU-Kommission und Rat ihre Entwürfe auf den Tisch gelegt haben, wäre nun das Europaparlament an der Reihe, seinen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, um ihn in einem weiteren Schritt mit den anderen Texten zu harmonisieren. Der Entwurf, der kommende Woche den Abgeordneten hätte vorgelegt werden sollen, sieht Verschärfungen in vier Bereichen vor: flächendeckende Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, Verbot von verharmlosenden Verpackungen (etwa in Lippenstiftform) und schlanken Zigaretten, eine Positivliste von Tabakzusatzstoffen sowie das Verbot von Aromen wie Vanille oder Menthol. Die Maßnahmen zielen vor allem darauf ab, junge Menschen vom Tabakkonsum abzubringen.

Dass die Abstimmung im Plenum verschoben wurde, kommt nicht wirklich überraschend, denn die Richtlinie ist besonders umstritten. Die Front zwischen Befürwortern und Gegnern strengerer Auflagen verläuft dabei auch innerhalb der Parteilager – und das insbesondere bei der größten Parlamentsfraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP). Hinzu kommt eine PR-Offensive der Tabakindustrie. Wie „Der Spiegel“ berichtete, sollen allein die Lobbyisten des Konzerns Philip Morris mehrere hundert Abgeordnete getroffen haben, um sie von einer Verschärfung der Regeln abzubringen.

65, 75 oder 80 Prozent?

Uneinigkeit herrscht in mehreren Punkten – allen voran in der Frage, wie viel Platz die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln einnehmen sollen. Während der Entwurf des Parlaments wie der Kommissionsvorschlag 75 Prozent der Fläche (statt wie bisher 30 bis 50 Prozent) vorsieht, setzt sich die EVP für eine Reduzierung auf 65 Prozent ein – die europäischen Grünen fordern eine Aufstockung auf 80 Prozent. Weitere Zankäpfel sind das Verbot von Slim-Zigaretten sowie die Positivliste – sie würde die Zigarettenhersteller dazu zwingen, alle Zusatzstoffe im Vorfeld auf ihre Unbedenklichkeit zu prüfen. Auch die Frage, ob elektrische Zigaretten eine gesundheitliche Prüfung absolvieren müssen, um zugelassen zu werden, ist umstritten.

Auch in Österreich ist der Widerstand der Tabakindustrie gegen die geplanten Vorschriften groß. In einem offenen Brief an EU-Parlament und Kommission bezeichneten das Bundesgremium der Trafikanten sowie der Verband der Cigarren- und Pfeifenfachhändler (VCPÖ) die Vorschläge der Kommission als „unverhältnismäßige, krasse Überregulierung und Bevormundung der Bürger“. Die Maßnahmen würden Markenrechte verletzen und österreichische Unternehmen – insbesondere die 2700 Tabakgeschäfte – schädigen, weil die großen Schockbilder zu einem „erheblichen Anstieg“ an Schmuggelzigaretten führen würden, befürchten die Tabakvertreter.

Derweil seien die gesundheitspolitische Wirksamkeit der Maßnahmen sowie die angestrebte Verbesserung beim Jugendschutz nicht erwiesen. Der VCPÖ will mit der Initiative „Liebe EU, es reicht!“ gegen eine Verschärfung der geltenden Richtlinie mobil machen. „Die Überlegungen der EU haben nicht das Potenzial, die gesundheitspolitischen Ziele zu erreichen“, ist Vizepräsident Wilhelm Gröbner überzeugt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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