Biodiversität: EU will tierische Migranten stoppen

Nordamerikanischer Ochsenfrosch
Nordamerikanischer Ochsenfrosch(c) Wikipedia
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Die EU-Kommission möchte die Ausbreitung von eingeschleppten problematischen Tier- und Pflanzenarten in Europa unter Kontrolle bringen.

Brüssel. Nordamerikanischer Ochsenfrosch, Asiatische Tigermücke, Grauhörnchen, Biberratte, Schmetterlingszikade: Was früher nur Naturforschern und Tropenreisenden ein Begriff war, ist heute in weiten Teilen Europas sattsam bekannt. Denn alle oben genannten Tiere zählen zu den so genannten problematischen invasiven Arten, die sich in Europa teils rasant ausbreiten – und zwar so rasant, dass sich nun die EU-Kommission bemüßigt fühlt, etwas gegen diesen Vormarsch zu unternehmen.

12.000 fremde Arten

Am Montag präsentierte Umweltkommissar Janez Potočnik in Brüssel einen Aktionsplan zum Schutz der europäischen Fauna und Flora vor den aggressiven Eindringlingen. Nach Brüsseler Berechnungen verursachen invasive Arten pro Jahr Schäden im Umfang von mindestens zwölf Milliarden Euro – Tendenz steigend. Allein das aus Nordamerika eingeschleppte kaum auszurottende und Allergien verursachende Traubenkraut (auch als Ragweed bekannt) schlägt sich mit bis zu drei Mrd. Euro zu Buche. Die EU geht davon aus, dass es in Europa derzeit rund 12.000 fremde Tiere bzw. Pflanzen gibt – zehn bis 15 Prozent davon gelten als problematisch. Soll heißen: Sie breiten sich schnell aus und sind nur schwer unter Kontrolle zu bringen. „Problematisch invasive Arten sind der zweitwichtigste Grund für Artenschwund in Europa“, so Potočnik.

Nachdem sich die EU zum Ziel gesetzt hat, den Schwund der Biodiversität bis zum Jahr 2020 zu stoppen, ist rasches Handeln erforderlich – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die bestehende Gesetzgebung lückenhaft ist und den Umgang mit tierischen und pflanzlichen Migranten nicht ausführlich regelt. Das Maßnahmenpaket des Umweltkommissars, das noch der Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten sowie des Europaparlaments bedarf, besteht aus drei Elementen: Prävention, Früherkennung und Kontrolle.

Beim ersten Punkt geht es vor allem darum, die Einfuhr von fremden Arten zu verhindern. „Wir sind nicht die Ersten, die hier eingreifen wollen“, sagt Potočnik, der als positives Beispiel die Grenzkontrollen in Australien anführt. Gegen unbeabsichtigtes Einschleppen von fremden Arten (etwa in Containern) können Grenzer allerdings wenig ausrichten – hier sollen die EU-Mitglieder potenzielle Lücken erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen (etwa im Sanitärbereich) vorschlagen – sowie einen Zeitplan für ihrer Umsetzung entwickeln.

Konzentration aufs Wesentliche

Was die Früherkennung anbelangt, will der Umweltkommissar die Kontrolleure nicht überfordern. In einem ersten Schritt soll ein Katalog von 50 besonders aggressiven Tier- und Pflanzenarten ausgearbeitet werden, die Auswahl soll anhand von EU-weit gültigen Kriterien erfolgen. Nur diese Sorgenkinder sollen auf europäischer Ebene bekämpft werden. Diese Selbstbeschränkung soll auch den Lernprozess erleichtern, denn bis dato hat es in der EU noch keine akkordierte Vorgangsweise auf diesem Gebiet gegeben.
Was den letzten Punkt anbelangt, will die Brüsseler Behörde die Erfahrung jener Mitglieder nutzen, die bereits die Ausbreitung invasiver Arten kontrollieren bzw. bekämpfen.

Schätzungen zufolge werden in der EU bereits jetzt rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für den Kampf gegen eingeschleppte Tiere und Pflanzen ausgegeben. Potočnik will die Vorgehensweise harmonisieren, aber die bereits vorhandenen nationalen Bestimmungen nicht antasten – sofern sie nicht gegen EU-Regeln verstoßen.

Einschränkungen im Tierhandel möglich

Eine Entwarnung gibt es für die Besitzer exotischer Haustiere, die von der EU als problematische Arten eingestuft werden: Sie müssen ihre Tiere nicht an die Behörden abliefern, sondern dürfen sie behalten. Die neuen Regeln könnten allerdings die Tierhändler betreffen – die dann keine invasiven Arten mehr verkaufen dürften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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