Mazedonischer Premier: "Samaras ist Schöpfer des Problems"

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Der mazedonische Premier Gruevski greift seinen griechischen Kollegen frontal an: Andonis Samaras setze auf Nationalismus und wolle die EU-Annäherung Mazedoniens torpedieren.

Die Presse: Eine fast schon obligatorische Frage zum Auftakt: Wann rechnen Sie mit dem Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien?

Nikola Gruevski: Das ist eine der schwierigsten Fragen, die Sie mir stellen können. Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass es seit eineinhalb Jahren keine direkten Gespräche gegeben hat – und zwar, weil die andere Seite nicht über eine Lösung des Namensstreits (Griechenland akzeptiert den Staatsnamen „Mazedonien“ nicht, Anm.) reden will. Das Klima hat sich mit dem Amtsantritt der neuen griechischen Regierung Mitte 2012 spürbar verschlechtert. Mein Gefühl ist, dass die Gegenseite keine Kompromisse eingehen will.

Wie kommen Sie zu dem Schluss?

Wir stecken, was die Frage der EU- und Nato-Mitgliedschaft Mazedoniens anbelangt, fest. Griechenland ist sehr geschickt darin, den Anschein zu erwecken, wir seien sture Nationalisten und daher für die Blockade selbst verantwortlich. Die Überzeugungsarbeit fällt leichter, wenn man selbst EU- und Nato-Mitglied ist und täglich mit den anderen Mitgliedern kommuniziert. Und innerhalb der EU ist man auch nicht unbedingt dazu bereit, angesichts der Wirtschaftskrise von Athen Kompromisse einzufordern. Die Griechen wissen das und können sich bequem zurücklehnen.

Der griechische Premierminister, Andonis Samaras, hat kürzlich verneint, dass sein Land die Verhandlungen blockiere – es sei vielmehr eine EU-Entscheidung. Haben Sie den Eindruck, dass es auch außerhalb von Griechenland Vorbehalte gibt?

Seit fünf Jahren schon bekommen wir Jahr für Jahr ein positives Zeugnis von der EU-Kommission ausgestellt – samt einer Empfehlung an den Rat, die Verhandlungen aufzunehmen. Doch der Rat bewegt sich nicht. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist Solidarität mit Griechenland.

Daraus entnehme ich, dass Sie nicht optimistisch sind, was Fortschritte während der griechischen Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr anbelangt.

Ich glaube nicht, dass der EU-Vorsitz Griechenland irgendwelche Privilegien verschaffen wird. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die anderen Mitglieder Athen klarmachen, dass Solidarität ihre Grenzen hat. Es geht auch um den Respekt internationaler Gesetze – Griechenland hat 2008 den Nato-Beitritt Mazedoniens blockiert, der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat uns 2011 recht gegeben. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie die EU da solidarisch sein kann.

Sie haben von einer Verschlechterung des Klimas gesprochen. Inwieweit ist Premier Samaras dafür verantwortlich?

Er ist einer der zwei Schöpfer des Problems. 1991 hat er gemeinsam mit dem damaligen Regierungschef Konstantinos Mitsotakis das Thema überhaupt erst aufs Tapet gebracht, davor hatte es keinen Namensstreit gegeben. Samaras baute seine gesamte Karriere auf nationalistischer Rhetorik und auf dem Konflikt mit Mazedonien auf. Als Kulturminister hatte er 2008 die griechische Strategie folgendermaßen erläutert: Athen müsse eine Lösung so lange hinauszögern, bis Mazedonien zerfällt und von seinen Nachbarn absorbiert wird. Heute benutzt er ein anderes Vokabular, doch mein Gefühl ist, dass sich seine Ansichten wenig geändert haben.

Das bedeutet aber, dass es keinen Kompromiss geben kann, solange Samaras im Amt ist.

Damit es dazu kommt, müsste Mazedonien allen griechischen Forderungen zustimmen. Das wäre dann aber kein Kompromiss mehr.

Gibt es in Griechenland Ihrer Ansicht nach andere politische Kräfte, die gesprächsbereit wären?

Ob es mit einer anderen Führungsmannschaft in Athen besser werden würde, wage ich nicht zu spekulieren. Ich glaube aber, dass wir jetzt an einem absoluten Tiefpunkt angelangt sind. Schlimmer als mit der derzeitigen Regierung kann es für uns nicht mehr kommen.

Wirkt sich die griechische Schuldenkrise negativ auf die Gesprächsbereitschaft Athens aus?

Es gibt mit Sicherheit einen Einfluss, aber es ist nicht der Hauptgrund. Angesichts der Haltung von Premier Samaras kann ich mir nicht vorstellen, dass Athen zu Gesprächen bereit wäre, wenn Griechenland nicht in der Rezession stecken würde. Allerdings macht die Finanzkrise die Situation noch komplizierter. Und sie verschafft Athen ein Alibi gegenüber den EU-Partnern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)

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