Seit 1. Jänner 2014 dürfen Bulgaren und Rumänen ohne Beschränkung in anderen EU-Ländern Arbeit suchen. Vielerorts wächst die Sorge vor einer Belastung der Sozialsysteme.
Sachlicher wollen Politiker in Deutschland und EU die Debatte um "Armutszuwanderung" führen. EU-Sozialkommissar Laszlo Andor forderte mehr Gelassenheit, die Unionsfraktion "mehr Ruhe und Seriosität". Andor sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Wir müssen unbedingt Grundrechte wie die Freizügigkeit verteidigen und dürfen auf Zuwanderung von Menschen nicht mit Hysterie reagieren." Das EU-Recht beinhalte bereits Schutzklauseln gegen Missbrauch - "wir wollen und wir brauchen darum keine neuen Gesetze, um die Freizügigkeit einzuschränken", fügte der ungarische Politiker hinzu.
Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) meinte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung: "Ich halte nichts davon, dieses Problem künstlich groß zu reden. Aber wir dürfen es auch nicht verniedlichen."
Angst vor Belastung der Sozialsysteme
Seit 1. Jänner 2014 dürfen auch Bulgaren und Rumänen ohne Beschränkung in Ländern wie Deutschland und Österreich Arbeit suchen. Damit verbunden ist die Sorge vor einer zusätzlichen Belastung der Sozialsysteme ("Die Presse" berichtete über die Situation in Österreich). In Deutschland setzt sich vor allem die Regierungspartei CSU für schärfere Gesetze ein.
Sowohl Gabriel als auch EU-Kommissar Andor raten dazu, für die Integration von EU-Migranten Gelder aus dem EU-Sozialfonds zu nutzen. Gleichzeitig müsse die Armut in den Heimatländern bekämpft werden, so Gabriel. Laut Andor arbeiten und leben mehr als 14 Millionen EU-Bürger in einem anderen Mitgliedsland der Union. Kommissar Andor rechnet nicht mit einer dramatischen Zuwanderungswelle, da schon über drei Millionen Bulgaren und Rumänen in anderen EU-Staaten leben. Es könnte aber auf lokaler oder regionaler Ebene Probleme geben. "Die Lösung ist, diese spezifischen Probleme anzugehen, und nicht Wälle gegen diese Beschäftigten aufzurichten", sagte Andor. Mitgliedstaaten könnten in solchen Fällen den europäischen Sozialfonds in Anspruch nehmen, der jährlich mit über 10 Milliarden Euro ausgestattet sei.
Bei der Inanspruchnahme von Geldern liegt Österreich mit insgesamt 524 Millionen eher im unteren Bereich. Spitzenreiter - die Zahlen aus 2013 reichen bis Ende Oktober - ist Polen mit 9,7 Milliarden Euro, vor Deutschland mit 9,38 Milliarden.
Auch Industrie warnt vor aufgeheizter Debatte
Nicht nur die EU, auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat vor einer aufgeheizten Debatte gewarnt. "Die Zuwanderung insgesamt darf nicht durch eine aufgeheizte politische Diskussion in ein schlechtes Licht gerückt werden", so DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag.
Deutschland brauche angesichts der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren bis zu 1,5 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, um "Wachstum zu sichern und die Sozialsysteme zu stabilisieren".
Interview mit Laszlo Andor in der "Welt"
(APA/dpa)