Reform: Griechenland senkt Lohnkosten

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Griechenland, Reform(c) EPA (FOTIS PLEGAS G.)
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Strukturreform oder Pflichtübung? Das griechische Parlament ebnet mit einem nicht unumstrittenen Reformkurs den Weg für die Auszahlung von zwölf Milliarden Euro.

Athen. Fünf Jahre nach Ausbruch der griechischen Schuldenkrise tut sich Griechenland immer noch schwer mit überfälligen Strukturreformen. Nichts hat das besser gezeigt als das am Sonntag verabschiedete Gesetz zur „Förderung des Wachstums“, das die Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von knapp zwölf Milliarden Euro an das Krisenland Griechenland war.

Einzelhandel, Industrie, Tourismus, Energie, Apotheken – in einem Rundumschlag wollte die Koalitionsregierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras protektionistische Regelungen in den verschiedensten Branchen aufheben, um Wettbewerb und Preissenkungen anzustoßen. Gelungen ist das nur halb, wie der absurde „Milchkrieg“ der letzten Wochen zeigte, in dem einzelne Abgeordnete der regierenden Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) das Schicksal des Landes aufs Spiel setzten, um die anachronistischen Produktions- und Vertriebsstrukturen der heimischen Milchproduktion vor der europäischen Konkurrenz zu schützen. Der stellvertretende Landwirtschaftsminister trat zurück, und bei der Abstimmung musste mit dem ehemaligen Athener Bürgermeister Nikitas Kaklamanis ein prominenter Konservativer aus der Parlamentsfraktion ausgeschlossen werden, weil er nicht bereit war, für die Reform zu stimmen. Die hauchdünne Mehrheit der Regierung – nun 152 von 300 Sitzen – sorgte dafür, dass die Regierung tatsächlich zu einem Teilrückzug bei dem Thema antrat: Pasteurisierte Milch, also „Frischmilch“, darf nur sieben Tage lang konsumiert werden – eine hohe Hürde für Importeure.

Vertreibung von Investoren

Liberalisierungen gab es unter anderem auch bei Öffnungszeiten und örtlichen Beschränkungen bei der Eröffnung von Apotheken. Die Folge war ein einwöchiger Streik der Apotheker, der für endlose Schlangen vor den wenigen offenen Apotheken sorgte – wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten versuchten die Vertreter einer Branche ihre Interessen auf Kosten der Konsumenten und Patienten durchzusetzen.

Neben längst überfälligen Flurbereinigungen bei geschützten Branchen wurden aber auch andere wichtige Akzente gesetzt: Etwa die Senkung der Lohnkosten um 3,9 Prozent – bisher lagen die Abgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei etwa 44 Prozent. Von der Maßnahme erhofft sich die Regierung die Neueinstellung von etwa 30.000 Arbeitnehmern.

Die unsinnigste Bestimmung im Gesetz enthält der sogenannte New Deal bei den erneuerbaren Energiequellen. Bereits im Vorjahr hatte es eine Sondersteuer von 30 Prozent auf E-Anlagen gegeben, die in bestehende Verträge eingriff. Nun werden nicht nur auf 20 Jahre ausgehandelte Stromtarife einseitig geändert, für das Jahr 2013 wird auch ein einmaliger „Abschlag“ auf die Einnahmen aus dem Stromverkauf von 35 Prozent eingehoben – Investoren werden sich hüten, in Zukunft in einem Land zu investieren, das ihre Rechte derart unverschämt mit den Füßen tritt.

Sogar die wichtigen Spielregeln für die Rekapitalisierung der griechischen Banken wurden in das neue Gesetz verpackt – die Kapitalaufstockung durch private Anleger wird darin favorisiert. Das sorgte für Zorn bei Anhängern einer starken Rolle des Staates bei den Banken wie dem ehemaligen Pasok-Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou, der dem besagten Artikel gegen die Parteilinie eine Absage erteilte.

In letzter Minute brachten die zuständigen Minister Dutzende von Änderungsanträgen ein – so werden die Griechen, aber auch die Gläubiger Griechenlands, erst in den nächsten Tagen erfahren, was tatsächlich beschlossen wurde. Prominent kommuniziert wurde von der Regierung lediglich eine Maßnahme: Das Wahlzuckerl in Höhe von 500 Millionen Euro an Not leidende oder unversicherte Haushalte und die Sonderzahlungen für Uniformierte – der Geldsegen vor den EU-Wahlen im Mai wird aus dem primären Haushaltsüberschuss des Jahres 2013 finanziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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